Paradise Papers -
Die Schattenwelt des großen Geldes

Hegen und Pflegen

Der CDU-Politiker Peter Harry Carstensen und der Pharma-Unternehmer Frederik Paulsen sind eng miteinander verbandelt. Möglicherweise zu eng

Von Ralf Wiegand - 08. November 2017

Die Eröffnung des neuen, gut 13 Millionen Euro teuren Museums war ein großes Ereignis für das Dörfchen Alkersum auf der Insel Föhr. Gleich zwei Königinnen waren zur Feier gekommen, Ashi Sangay Choden Wangchuk aus Bhutan und Margrethe II. von Dänemark. Mehrere Botschafter waren unter den Gästen, Prominente wie die Verlegerin Friede Springer, Unternehmer und Politiker. Schaumwein perlte, die Musik spielte. Fast war es, als schlüpfe das eher bodenständige Föhr an jenem 31. Juli 2009 für einen Tag in die eleganten Schuhe der großen Schwester Sylt.

Im Museum "Kunst der Westküste" werden seitdem in wechselnden Ausstellungen Gemälde von Max Liebermann, Edvard Munch oder Max Beckmann gezeigt, Kunst aus dem Norden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vor allem. Alle Werke stammen aus der Sammlung des schwedischen Pharma-Unternehmers Frederik Paulsen, der beim Grand Opening vor acht Jahren ebenfalls unter den Gästen weilte. Der heute im schweizerischen Lausanne lebende Milliardär mit nordfriesischen Vorfahren hat der Insel seiner Ahnen auch gleich das ganze Museum gestiftet. "Sie sind eine Unternehmerpersönlichkeit, die gesellschaftliche Verantwortung spürt und auch wahrnimmt", schwärmte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen bei der Eröffnung von diesem Gönner.

Drei Jahre später trat Carstensen als Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein zurück, das Museum besucht er aber immer noch. Wenn man so will: aus beruflichen Gründen.

Denn Polit-Rentner Carstensen wird im Firmenregister der Niederlande als einer von drei Direktoren der in Hoofddorp registrierten Peloponnesus B. V. geführt. Dieses niederländische Unternehmen kümmert sich laut Geschäftsbericht um "die Pflege und Verbreitung von Kunst sowie den Betrieb des Museums Kunst der Westküste auf Föhr". Die Peloponnesus ist Teil des weit verzweigten Firmennetzwerks des Paulsen-Konzerns. Den Anstoß zu dieser Recherche von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR gab ein Vermerk in den Paradise Papers. Die Firmenkonstruktion sei deshalb gewählt worden, ließ Frederik Paulsen auf Anfrage mitteilen, um "größtmögliche Flexibilität bei der Verleihung von Kunstgegenständen und der jeweiligen Sammlungen zu gewährleisten". 

Museumseröffnung in Alkersum (von rechts nach links): Frederik Paulsen mit Lebensgefährtin Ellen Schwichert, Peter Harry Carstensen mit Dänemarks Königin Margrethe II.

Paulsens Vater, einst vor den Nazis aus dem nordfriesischen Dagebüll ins schwedische Malmö geflohen, gründete dort 1950 den Konzern. Sohn Frederik, heute 67 Jahre alt, hat sich inzwischen weitgehend aus dem Unternehmen zurückgezogen. Er reist als Entdecker, Forscher und Philanthrop mit einem Hang für spezielle Orte um die Welt. In Bhutan fördert er zum Beispiel mit hohen Spenden die Teppichknüpfkunst, weshalb er mit der dortigen Königsfamilie bekannt ist. In Georgien betreibt er ein Weingut, in Russland baut er Fruchtbarkeitskliniken, und sogar am Nordpol war er schon mehr als einmal.

In Nordfriesland, der Heimat seiner Vorfahren, fördert Frederik Paulsen über die noch von seinem Vater gegründete Ferring-Stiftung alles Friesische, etwa die Sprache in den Schulen, Archive zur Geschichte, einen friesischen Radiosender. Und er förderte die CDU. Aus Paulsens Ferring-Konzern flossen in den Jahren 2003 bis 2009 mindestens 450 000 Euro an die Union, Paulsen persönlich taucht als Spender drei Mal in den Datenbanken auf, mit insgesamt 118 000 Euro zwischen 2002 und 2010. Parteivorsitzender der Landes-CDU war von 2002 bis September 2010 Peter Harry Carstensen. Danach sind keine Großspenden mehr von Paulsen oder Ferring registriert.

Dem Ur-Friesen Carstensen, heute 70 Jahre alt, gefällt diese Art Heimatliebe der Paulsens. Er sei "außerordentlich dankbar", schreibt Carstensen in einer Stellungnahme auf Anfrage, "für das jetzt schon langjährige Engagement der Familie Paulsen". Nordfriesland, wo die Stiftung hauptsächlich wirkt, war sein Wahlkreis zu Zeiten als Bundestagsabgeordneter.

Wäre Carstensen ehrenamtlich für das Paulsen-Museum auf Föhr tätig, könnte man annehmen, dass er seine friesische Expertise aus reiner Dankbarkeit für die Bemühungen Paulsens um diesen Landstrich zur Verfügung stellt; er bedeutet ihnen beiden viel. Allerdings hat der Pharma-Unternehmer den deutschen Ex-Politiker gleich zu einem Teil seines Firmennetzwerks gemacht, und in dieser Funktion bezieht Carstensen wohl auch Geld. Laut öffentlich einsehbarer Bilanzen der Peloponnesus B. V. erhielten die drei Managing Directors, von denen Carstensen einer ist, im Jahr 2014 zusammen 90 000 Euro; 2015 waren es zusammen 45 000 Euro; für die anderen Jahre waren in den Bilanzen keine Zahlen ausgewiesen. Auch Paulsen selbst zählt zu diesem Direktoren-Pool.

Lobbycontrol

Der frühere Kieler Regierungschef bestreitet den Vorgang im Grunde nicht, nennt aber keine Summen: "So weit ich aus meinen Tätigkeiten Einkünfte erziele, gebe ich diese selbstverständlich vollumfänglich und ausnahmslos gegenüber meinem Finanzamt an", schreibt er. Er mache aus seinen Tätigkeiten generell kein Geheimnis, so Carstensen weiter, "zu vielen davon gibt es sicherlich auch Hinweise und Informationen im Internet".

Das trifft zwar auf sein Engagement in der Gregor-Mendel-Stiftung zu, die sich um Pflanzenzüchtungen kümmert und deren Kuratoriums-Vorsitzender er ist, und auch auf den Aufsichtsratsposten im georgischen Paulsen-Weingut "Château Mukhrani". Zum Direktoren-Posten auf Föhr allerdings: nirgendwo ein Hinweis, weder "im Internet" noch in Pressearchiven oder im Impressum des Museums. Diese Verbindung muss man schon gezielt im niederländischen Firmenregister suchen. Carstensen jedoch schreibt zu seiner Tätigkeit auf Föhr: "Die Einschätzung, ich hätte diese 'nicht öffentlich gemacht', weise ich gleichwohl als unzutreffend zurück."

Den Dokumenten nach hat Carstensen den Posten kaum ein halbes Jahr nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident 2012 angenommen, er selbst bezeichnet sich als "nichtexekutiver Direktor" des Insel-Museums, mit beratender Funktion. Peter Harry Carstensen begründet seine Tätigkeit dort mit seinem "persönlichen Interesse an dieser Einrichtung und der außerordentlich positiven Wirkung dieses Projektes in meiner Heimatregion". Frederik Paulsen wiederum lässt mitteilen, Carstensen sei ihm "ein geschätzter Ansprechpartner beim Erhalt und der Förderung friesischer Kultur".

Alles also nur ein Dienst unter Freunden, nichts dabei? Timo Lange von der Antikorruptionsorganisation Lobbycontrol sieht das ganz anders: "Das ist schon ein sehr interessanter Fall. Genau dafür gibt es heute auch in Kiel eine Karrenzzeitregelung." Auf Initiative der Piratenpartei müssen sich in Schleswig-Holstein Politiker, die aus dem Amt in die Wirtschaft wechseln, seit 2016 einer ethischen Prüfkommission stellen. Die versucht, mögliche Interessenkonflikte zu erkennen, und spricht dann eine Empfehlung an die Landesregierung aus – die den Politikern das Wechseln für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren untersagen kann. Auslöser für die Kieler Karenzzeit-Initiative war der Wechsel des damaligen Landesinnenministers Andreas Breitner (SPD) zu einer Wohnungsbaugesellschaft.

Immer, wenn Politiker die Seiten wechseln, ob es den Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) in die russische Energiewirtschaft zieht, den Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) zur Deutschen Bahn, den Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zur Allianz oder den Abgeordneten Eckart von Klaeden (CDU) zu Daimler – stets kommt die gleiche Diskussion auf: Was dürfen Politiker nach ihrer politischen Laufbahn, und ab wann dürfen sie es? Für Berliner Regierungsmitglieder gibt es seit 2015 eine Karenzzeitregelung, in den Bundesländern ist sie aber noch längst nicht Standard.

Carstensens Verbindung zu Paulsen, sagt Experte Lange von Lobbycontrol, sei genau so ein Fall, der heute unter die Kieler Karenzzeitregel fallen würde. Lange: "Wenn man in solchen Fällen nicht mit der maximalen Transparenz herangeht, könnte der Eindruck entstehen, mit dem Posten würden politische Gefälligkeiten im Nachhinein abgegolten. Man könnte fragen: Welchen Deal hat es da gegeben?" Zumal zwischen der Partei des Ministerpräsidenten und dem Konzern des Pharma-Unternehmers schon zuvor viel Geld in Form von Parteispenden geflossen ist. "Politische Verantwortung endet nicht mit der politischen Tätigkeit", sagt Timo Lange. Es müsse auch jeder Eindruck vermieden werden, dass ein Politiker vielleicht für seinen neuen Dienstherrn Lobbyarbeit leistet, weil er ja noch gute Kontakte in die Politik hat.

Frederik Paulsen lässt jeglichen Verdacht zurückweisen, er würde seinem Freund Carstensen irgendeine "Entlohnung für politische Gefälligkeiten" gewähren. Der Unternehmer lege Wert auf die Feststellung, "dass er sich als schwedischer Staatsbürger ebenso wie als Unternehmer und Förderer ohne Wenn und Aber an Recht und Gesetz hält – und bei keiner seiner Aktivitäten jemals eine Struktur bzw. Konstruktion wählen oder befürworten würde, die nicht legal ist". Die Ausläufer der Museums-Firma reichten zeitweise bis nach Curaçao.

Peter Harry Carstensen ist im Ton ähnlich offensiv, in der Sache indes etwas unscharf. Er sehe insgesamt keinen Grund, seine "Tätigkeiten oder Einzelheiten dazu flächendeckend oder gar medial verbreiten zu lassen". Auch über eventuelle Einkünfte als Aufsichtsratsmitglied in Paulsens georgischem Weingut gibt er keine Auskunft. Nur so viel sagt Carstensen, der einmal Agrarexperte der CDU-Bundestagsfraktion war: Er sei bei dem Weingut wegen seines "Sachverstands in landwirtschaftlichen Fragen" beratend tätig. Im Übrigen sei Georgien ein interessantes Land. 

Das sind die Paradise Papers

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