Paradise Papers -
Die Schattenwelt des großen Geldes

Arabischer Frühling

Als Libyen im Chaos versinkt, wittert Appleby eine Chance. Die Kanzlei will trotz Sanktionen weiter am Vermögen des Landes verdienen

Von Mauritius Much und Hannes Munzinger - 07. November 2017

Mehr als 41 Jahre herrschte Muammar al-Gaddafi bereits über Libyen, als es dort während des Arabischen Frühlings ab Februar 2011 zu Aufständen kommt. Gaddafi wurde gestürzt und floh aus der Hauptstadt Tripolis. Im Oktober 2011 entdeckten ihn Aufständische in der Betonröhre eines Kanals in der Stadt Sirte. Handyvideos von diesem Tag zeigen den selbsternannten "König der Könige Afrikas" blutüberströmt inmitten eines feiernden Lynchmobs. Am Ende des Tages war Muammar al-Gaddafi tot.

Fünf Jahre zuvor hatte Gaddafi die Libyan Investment Authority (LIA), eine Art Staatsfonds, gegründet, um die Überschüsse aus dem Ölexport anzulegen. Die Konten der LIA waren im März 2011 – während der Aufstände in Libyen – von den USA, der EU und den Vereinten Nationen eingefroren worden. Gaddafi und seine Söhne waren dafür berüchtigt, Geld aus Staatsunternehmen für ihre ganz persönlichen Interessen abzuzweigen. Da es bis heute keine funktionierende Einheitsregierung in dem Land gibt, ist das Vermögen der LIA weiter blockiert.

Das gilt auch für drei Fonds der libyschen Behörde, die die Anwaltskanzlei Appleby ab 2014 betreut und in denen sich laut den Paradise Papers zu diesem Zeitpunkt Anlagen im Wert von 700 Millionen Dollar befinden. Appleby übernimmt die Aufgabe, nachdem der vorherige Fondsverwalter zurückgetreten ist. "Er sieht es als Risiko für den guten Ruf an, weiter mit ihnen (den Fonds; Anm. d. Red.) zu tun zu haben", schreibt ein Appleby-Mitarbeiter einem Kollegen in einer E-Mail. Doch die Kanzlei hat offenbar weniger Probleme damit, die Fonds einer sanktionierten libyschen Behörde zu verwalten. "Keine Panik (oder Panik auslösen!)", schreibt derselbe Mitarbeiter später an einen Kollegen, man sammele erst einmal alle Fakten, bevor man die Angelegenheit weitertreibe. Schließlich ist der Job äußerst lukrativ. Appleby soll dafür pro Jahr 150 000 Dollar bekommen.

Deshalb lässt sich die Kanzlei offenbar auf diese Aufgabe ein, obwohl sie "hochsensibel und sehr riskant ist", wie es in einem Protokoll des Risikokomitees der Appleby-Filiale auf der Isle of Man vom 30. Juli 2014 heißt. Ungefähr zur selben Zeit bricht in Libyen erneut ein blutiger Bürgerkrieg aus. Diesmal bekämpfen sich vor allem islamistische und säkulare Milizen. Das frisch gewählte Parlament zieht aus Sicherheitsgründen in die Hafenstadt Tobruk nahe der ägyptischen Grenze. Die Abgeordneten kippen dort unter anderem ein Gesetz, das ehemalige Amtsträger des Gaddafi-Regimes von politischen Ämtern ausschloss – Rückenwind für Getreue des getöteten Despoten. Wochen später tritt die international anerkannte Regierung zurück, in Tripolis bildet sich eine von Islamisten gestützte "Regierung der Nationalen Rettung". Kurz: Es regiert das Chaos.

Appleby sorgt sich aber vor allem um die eigene Reputation. "Das Hauptrisiko für den guten Ruf" ist, dass es keinen klaren Bruch seitens der Libyan Investment Authority vom Gaddafi-Regime gibt, konstatiert das Risikokomitee der Kanzlei. Auf Anfrage wollte Appleby dazu nicht konkret Stellung nehmen. Lediglich allgemein erklärte die Kanzlei, man habe für Personen oder Unternehmen, die Sanktionen unterworfen seien, nur Dienste geleistet, wenn das Gesetz diese erlaubte. Die LIA beantwortete eine schriftliche Anfrage nicht.

Während Appleby aus freien Stücken an der Geschäftsbeziehung festhält, befinden sich mehrere internationale Großbanken in der Lage, die mit Sanktionen belegten Fonds als Kunden behalten zu müssen, selbst wenn sie sie gerne loswerden wollten. Darunter auch die Deutsche Bank. Sie hält bis mindestens Januar 2016 Bargeld der drei Fonds auf mehreren Konten. Die Gelder sind eingefroren, dürfen also nicht ausgezahlt werden, was einen Abbruch der Kundenbeziehung schwierig macht. Die Barmittel auf den stillgelegten Konten wachsen derweil stetig, zum Beispiel durch Ausschüttungen aus Unternehmensbeteiligungen. Zwischen Januar 2015 und 2016 um ganze 26 Prozent auf mehr als 45 Millionen US-Dollar. Die Deutsche Bank lässt dazu nur mitteilen, dass sie sich nicht "zu einzelnen Beziehungen mit Kunden oder Nichtkunden" äußere.

Im Jahr 2015 stellt ein Appleby-Mitarbeiter fest, dass die Kanzlei noch mit vier weiteren libyschen Firmen und einer Bank Geschäfte macht, die mit Sanktionen belegt sind. Auch dazu will die Kanzlei auf Anfrage nicht Stellung nehmen. Wiederum tagt das Risikokomitee von Appleby Isle of Man, das mögliche Rechtsverstöße prüfen soll. "Wir müssen nichts unternehmen", heißt es in einer E-Mail.

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