Paradise Papers -
Die Schattenwelt des großen Geldes

Staat paradox

Jeder soll Steuern zahlen. Doch der deutsche Staat besitzt Firmen, die Geld in Steueroasen verstecken. Was soll das?

Von Katrin Langhans, Mauritius Much, Hannes Munzinger, Frederik Obermaier, Vanessa Wormer und Tobias Zick - 07. November 2017

Der kleine Ort San Ġiljan auf Malta – wer die Scheinheiligkeit des deutschen Staates besichtigen will, macht sich am besten auf den Weg dorthin. Dort hängt in der Church Street ein Briefkasten – „No spam“ steht darauf, keine Werbung –, dazu ein Firmenname: Fraport. Fraport ist die Betreiberfirma des Frankfurter Flughafens, des größten und wichtigsten Drehkreuzes in Deutschland. Ein staatliches deutsches Unternehmen mit Sitz in einer Steueroase. Das ist bemerkenswert und noch längst nicht alles.

Die Flughafengesellschaft hat außerdem eine Firma in der Steueroase Luxemburg registriert, sie ist an einer in der Steueroase Zypern beteiligt und besitzt auf Malta nicht nur eine, sondern gleich drei Briefkästen: für die Fraport Malta Business Services Ltd, die Fraport Malta Investment Limited und die Fraport Malta Limited. Dies diene der „Optimierung der Steuerposition“, Antwort des hessischen Finanzministeriums auf eine Kleine Anfrageantwortete das hessische Finanzministerium 2013Antwort des hessischen Finanzministeriums auf eine Kleine Anfrage auf eine Kleine Anfrage der damals noch oppositionellen Grünen. Auf Malta können Unternehmer die Körperschaftsteuer nämlich auf gerade mal fünf Prozent drücken. Den Staaten, in denen die Firmen tatsächlich ihre Gewinne machen, entgehen so Jahr für Jahr 3,5 bis vier Milliarden Euro, berechnete die Zeitung Malta Today.

Für die Süddeutsche Zeitung Die ganze Geschichte: Gastbeitrag von Gabriel Zucmanhat der Ökonom Gabriel Zucman jetzt ermitteltDie ganze Geschichte: Gastbeitrag von Gabriel Zucman, wie viel der deutsche Staat weltweit durch illegale Steuerhinterziehung und legale Steuervermeidung verliert: 17 Milliarden Euro im Jahr. Das ist eine Menge Geld, mit der man eine Menge Kita-Plätze schaffen könnte oder Straßen ausbessern. Es verschwindet, weil wohlhabende Deutsche ihr Vermögen vor dem Fiskus verstecken. Und, weil Bund, Länder und Gemeinden beim Gründen von Briefkastenfirmen helfen oder selbst ihr Geld in Steuerparadiesen anlegen. Es ist geradezu paradox: Der Staat versteckt sein Geld vor den Steuerregeln, die er selbst gemacht hat.

Auch in den Paradise Papers taucht die HSH Nordbank wieder auf. In einem Konsortium mit anderen Banken ist sie beispielsweise an einem Kredit für eine Reihe von Schiffseignern beteiligt. Die HSH ist mit 90 Millionen Dollar dabei, der gesamte Kredit beläuft sich auf mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar. Die Summe wird zwanzig Firmen gewährt, die ihren Sitz allesamt in der westafrikanischen Steueroase Liberia haben. Sollte eine deutsche Staatsbank nicht Geschäfte in Steueroasen vermeiden? Die HSH Nordbank will dazu keine Stellung nehmen. Vor nicht allzu langer Zeit musste die Bank 22 Millionen Euro Bußgeld zahlen, weil sie ihren Kunden geholfen haben soll, Steuern zu hinterziehen.

Ein anderes Beispiel: Die Banque LB Lux, eine ehemalige Tochter der Bayern-LB in Luxemburg, wiederum gründete und Die Verwicklungen der deutschen Banken in den Panama Papersverwaltete Dutzende Offshore-FirmenDie Verwicklungen der deutschen Banken in den Panama Papers für ihre Kunden - und diese wiederum nutzten sie, um Steuern zu hinterziehen. Die Banque LB Lux musste deshalb wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung mehr als 20 Millionen Euro Bußgeld zahlen, für die am Ende die Mutter Bayern-LB aufkommen musste. Staatliche Banken halfen also bewiesenermaßen, den Staat zu betrügen. Doch das bayerische Finanzministerium, dessen jeweilige Minister im Aufsichtsgremium der Bayern-LB saßen, erklärte nach Verkündung des 20-Millionen-Bußgelds trotzig: "Die Bayern-LB ist sauber." 

Unternehmen, die dem Staat gehören oder an denen der Staat beteiligt ist, gründen aber nicht nur Briefkastenfirmen. Wie die Paradise Papers zeigen, nutzen sie sie auch selbst. Der Deutschen Post, an der Bund und Länder mit gut 20 Prozent beteiligt sind, gehört die Firma Marias Falls Insurance Co. Ltd. mit Sitz auf Bermuda, einer Steueroase. Marias Falls Insurance ist eine Art firmeneigene Versicherung, über die die Deutsche Post die Fracht, ihre Autos und Laster, aber auch ihre Mitarbeiter absichert. Jeden Euro, den die Post an Marias Falls Insurance zahlt, muss sie in Deutschland nicht versteuern. Und die Marias Falls Insurance meldet ihre Gewinne in Bermuda - dort fallen kaum Steuern an. Könnte die Post ihre Versicherung nicht in Deutschland betreiben? Auf Anfrage von SZ, NDR und WDR erklärte die Deutsche Post DHL Group, wie das weltweit tätige Unternehmen heute heißt, sie ziehe keinen steuerlichen Nutzen aus der Marias Falls Insurance.

"Die Devise, was nicht verboten ist, darf man machen, ist zu nachsichtig"

Fragt man das Bundesfinanzministerium, ob es in Ordnung ist, dass deutsche Staatsunternehmen Schlupflöcher in Steueroasen nutzen, lautet die Antwort: "Unternehmen (gleich ob in privater oder in öffentlicher Hand) müssen sich an die bestehenden steuerlichen Gesetze halten. Dazu zählt insbesondere die Befolgung derjenigen Regelungen, die der Bekämpfung von Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen dienen." Übersetzt heißt das: Erlaubt ist alles, was legal ist. Die Steuermoral kann hintanstehen.

Diese Haltung hat nur zwei Haken: Nicht immer ist eindeutig, welches Steuerschlupfloch legal oder illegal ist. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker etwa verteidigte nach den Wie die Steueroase Luxemburg Konzernen half, Steuern zu sparenLuxemburg-Leaks-EnthüllungenWie die Steueroase Luxemburg Konzernen half, Steuern zu sparen das Vorgehen seines Heimatlandes Luxemburg - einer Steueroase - als legal. Steuergeschenke an Firmen seien in Ordnung. Eine Untersuchung der EU widerlegte dies jedoch: Luxemburg hat nach Überzeugung der EU-Kommission dem Online-Händler Amazon illegale Steuervorteile eingeräumt.

Zweitens: Ein Staat, der selbst in Steueroasen agiert, sendet - auch wenn alles legal ist - unweigerlich ein Signal: dass Geschäfte in Steueroasen doch gar nicht so problematisch seien. "Die Devise, was nicht verboten ist, darf man machen, ist zu nachsichtig", sagt Thomas Eigenthaler, der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. "Die öffentliche Hand hat nicht nur die rechtliche Pflicht, sondern auch eine moralische Verantwortung, in Steuerfragen 'sauber' zu bleiben."

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