Ein 61-jähriger Mann stirbt am 9. Januar 2020 in Wuhan, nachdem er mit Fieber und Lungenschmerzen ins Krankenhaus eingeliefert worden war.

Er wird später als erster offizieller Covid-19-Toter dieser Pandemie gelten. 

Einer von mittlerweile zwei Millionen.
Das ist ihre Geschichte.

Zwei Millionen Schicksale

Von Felix Ebert, Elisabeth Gamperl, Maria-Mercedes Hering, Felix Hunger, Julia Kandler, Berit Kruse, Sören Müller-Hansen und Stefanie Preuin

15.01.2021

23. Januar 2020, Wuhan, China

Als niemand mehr Wuhan verlassen darf, beginnen in der Stadt die Bauarbeiten für ein Notkrankenhaus. In atemberaubender Geschwindigkeit entsteht eine provisorische Klinik für etwa 1000 Covid-19-Patienten.

29. Januar, Qingdao, China

Während sich das Virus ausbreitet, gehen Bilder von Menschen in Schutzanzügen um die Welt. Wie hier im chinesischen Qingdao soll eine großflächige Desinfektion die Ausbreitung des neuen Virus verhindern. Doch noch weiß man wenig über die Krankheit und darüber, wie sich die Menschen vor ihr schützen können.

2. Februar 2020, Philippinen

Die Philippinen melden Anfang Februar als zweites Land den ersten Covid-19-Toten: ein Reisender aus Wuhan. In der Hauptstadt Manila drängen sich die Leute vor den Läden, um sich eine der raren, überteuerten Schutzmasken zu sichern.

7. Februar 2020, Wuhan, China

Der Augenarzt Li Wenliang war einer der ersten, der in Wuhan vor der Ausbreitung einer unbekannten Lungenkrankheit warnte. Am 7. Februar stirbt er an den Folgen seiner Covid-19-Erkrankung.

19. Februar 2020, Iran

Am 19. Februar meldet Iran, dass in der heiligen Stadt Qom zwei mit dem Coronavirus infizierte Menschen gestorben sind. Wenige Tage später gehört das Land zu einem der am schwersten von der Pandemie betroffenen zu diesem Zeitpunkt.

9. März 2020, Deutschland

Im März fordert Covid-19 auch in Deutschland seine ersten Opfer. Ein 78-jähriger Mann stirbt im Kreis Heinsberg, wo sich in Folge einer Karnevalsfeier der erste bekannte Hotspot in Deutschland gebildet hatte. Währenddessen verliert eine 89-jährige Frau am Universitätsklinikum Essen ihren Kampf gegen das Virus.

19. März 2020, Italien

Bis zum 19. März sind offiziell mehr als 3400 Menschen in Italien an Covid-19 gestorben, mehr als irgendwo sonst. Weil für die Toten kein Platz mehr ist, muss das Militär Särge aus der nördlichen Stadt Bergamo in der Lombardei in andere Städte bringen.

31. März 2020, New York City, USA

Auf der anderen Seite des Atlantiks, in New York City, bahnt sich derweil die nächste Katastrophe an. Alle sechs Minuten stirbt in der Stadt jemand an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Vor vielen Krankenhäusern stehen jetzt Kühllastwagen, in denen die Toten aufbewahrt werden.

9. April 2020, weltweit

Anfang April überschreitet die Zahl der offiziell im Zusammenhang mit Covid-19 verstorbenen Menschen die Grenze von 100 000, so die globale Zählung der Johns-Hopkins-Universität. Das öffentliche Leben ist in vielen Teilen der Welt stark eingeschränkt.

27. April 2020, Ecuador

In Guayaquil, der zweitgrößten Stadt Ecuadors, sterben den Statistiken zufolge nur wenige Menschen an Covid-19. Doch Bilder aus der Stadt zeigen: Hilflose Angehörige legen Tote auf den Straßen ab, die Behörden sind überfordert. Allein in den ersten beiden Aprilwochen sollen 6 000 Menschen mehr gestorben sein als sonst in diesem Zeitraum.

28. Mai 2020, USA

In den USA sind mehr als 100 000 Menschen gestorben. Die New York Times spricht in ihrer Ausgabe Ende Mai von einem „incalculable loss“ – einem unermesslichen Verlust. „Sie waren nicht einfach Namen auf einer Liste“, heißt es weiter. „Sie waren wir.“

29. Juni 2020, weltweit

Die Todeszahlen überschreiten die Marke von 500 000. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, warnt: „Wir alle wollen, dass es vorbei ist. Wir alle wollen mit unserem Leben weitermachen. Aber die harte Realität ist: Es ist noch nicht einmal annähernd vorbei.“

14. Juli 2020, weltweit

Ein weiterer dunkler Höhepunkt: Den offiziellen Zahlen zufolge sind nun mehr als 575 000 an Covid-19 erkrankte Menschen gestorben, mehr als laut WHO-Schätzung 2009 bis 2010 an der Schweinegrippe.

8. August 2020, Brasilien

Brasilien ist nach den USA das zweite Land, dass die Marke von 100 000 gemeldeten Todesfällen in Zusammenhang mit Covid-19 überschreitet. Der brasilianische Präsident Bolsonaro verharmlost dennoch weiter die Gefahr durch das Virus.

1. September 2020, Peru

Anfang September wird Peru für zwei Monate das Land mit der höchsten Covid-19-Sterberate: zu diesem Zeitpunkt fast 900 Todesfälle je Million Einwohner. Die Dunkelziffer könnte sogar noch höher liegen: Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Zahl aller Todesfälle in Peru um mehr als 150 Prozent gestiegen.

28. September 2020, weltweit

Eine Million Menschen sind nun tot. In vielen Ländern sind ärztliches Personal und Pflegekräfte überlastet und machen wie in Spanien mit Protesten auf die dramatische Situation aufmerksam.

3. Oktober 2020, Indien

In Indien beginnt im Oktober die zweite Welle. Auch Indien hat nun die Marke von 100 000 Toten überschritten.

10. Oktober 2020, Brasilien

150 000 Tote meldet das brasilianische Gesundheitsministeriums. Das Virus breitet sich ohne Isolierungsmaßnahmen und Maskenpflicht nahezu ungebremst im Land aus.

29. Oktober 2020, China

Ein fast schon ungewöhnliches Bild: In der Provinz Hubei in Wuhan werden Ende Oktober große Halloweenpartys gefeiert – ganz ohne Abstand und Maske. Seit fünf Monaten ist dort kein einziger Coronavirus-Fall mehr gemeldet worden. In Europa ist derweil eine Rückkehr zur Normalität undenkbar: Tschechien, Belgien und Polen entwickeln sich zu Epizentren.

16. November 2020, Großbritannien

Viele europäische Länder erleben eine zweite Welle des Virus. Um sie zu brechen, wird vielerorts ein Lockdown ausgerufen, so in Frankreich und Großbritannien. Auf britischen Friedhöfen werden neue Gräber ausgehoben, die hohe Anzahl an Bestattungen ist an einigen Grabstätten kaum noch zu bewältigen.

19. November 2020, weltweit

Mehr als 1,35 Millionen Menschen sind zwischen Mitte Januar und Mitte November am Coronavirus gestorben: Das Coronavirus hat mittlerweile so viele Menschenleben gefordert, wie nach Schätzungen der WHO jährlich durch Verkehrsunfälle sterben. Derweil meldet Mexiko als viertes Land weltweit mehr als 100 000 Tote im Zusammenhang mit dem Virus.

26. November 2020, USA

Normalerweise reisen Menschen in den USA für das Erntedankfest Thanksgiving über weite Strecken zu ihren Familien. Experten warnten deshalb im Vorfeld vor einer verstärkten Ausbreitung des Coronavirus. Bis zum Thanksgiving-Donnerstag sind offiziell mehr als 260 000 Menschen in den USA an Covid-19 verstorben.

2. Dezember 2020, Deutschland

Tagungszentren, Flugplätze, Arenen: Orte, die seit Wochen leer stehen, sollen zu Impfzentren werden. Die logistische Herausforderung ist groß, am 21. Dezember will die EU-Kommission über die Zulassung der Impfstoffe entscheiden. Fast 1,5 Millionen Menschen sind bisher am Virus gestorben. Doch langsam macht sich Hoffnung breit.

14. Dezember 2020, Großbritannien

In einer Rede im britischen Unterhaus erwähnt der Gesundheitsminister Matt Hancock eine neue, womöglich ansteckendere Variante des Coronavirus. Einige Tage später sperren viele EU-Staaten aus Sorge um diese Mutation den Grenzverkehr mit Großbritannien.

24. Dezember 2020, Italien

Heiligabend: Um eine weitere Infektionswelle zu verhindern, ist in vielen anderen Ländern die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. In Italien sind Reisen zwischen den verschiedenen Regionen vom 21. Dezember bis zum 6. Januar verboten. Viele Menschen müssen die Feiertage alleine verbringen.

7. Januar 2021, Europa

Die EU lässt einen Impfstoff der US-Firma Moderna zu, Großbritannien impft erstmals mit dem Astrazeneca-Vakzin. Trotz der Impfkampagnen werden zum neuen Jahr in vielen Ländern härtere Einschränkungen nötig: Auch in deutschen Hotspots soll der Bewegungsradius begrenzt werden.

Mehr als zwei Millionen Menschenleben hat das Coronavirus innerhalb eines Jahres gefordert.

2 000 000.

Mehr Menschen, als in deutschen Großstädten wie Hamburg oder München leben. Diese zwei Millionen Toten bilden nur die sichtbare Spitze des Eisbergs, weit mehr Menschen dürften an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben sein, ohne jemals in die offizielle Statistik eingegangen zu sein.

Doch es gibt auch Anlass zur Hoffnung: Nicht das Virus entscheidet über das Schicksal der Menschen, sondern die Menschen über das Schicksal des Virus. Politische und individuelle Maßnahmen wirken, sie können die Verbreitung des Virus eindämmen und Todesfälle verhindern. Gleich mehrere, in Rekordzeit entwickelte Impfstoffe werden sehr wahrscheinlich helfen, das Coronavirus zurückzudrängen.

So ist diese Geschichte entstanden

Wie kann man den Verlust von zwei Millionen Menschenleben begreifbar machen? Eine derartig große Zahl übersteigt das menschliche Vorstellungsvermögen. Natürlich gibt es dafür abstrakte Bilder: Etwa zwei Millionen Menschen leben in Städten wie Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf zusammen oder wurden zwischen 2017 und 2019 in Deutschland geboren. Wirklich vorstellen kann man sich allerdings nicht, wie groß diese Zahl ist.

Wir wollten für jeden einzelnen Verstorbenen eine menschliche Silhouette zeigen. Das ist uns nicht ganz gelungen. Zwei Millionen sind auch für einen Beitrag wie diesen zu viele. Sie haben über den gesamten Artikel hinweg etwa X Menschen gesehen, um auf zwei Millionen zu kommen müssten Sie den Artikel Y Mal durchlesen.

Die Daten in diesem Artikel beruhen auf den von der Johns Hopkins Universität gesammelten Todeszahlen auf der ganzen Welt. Für den Anfang der Pandemie im Januar werden die offiziellen Daten der Weltgesundheitsorganisation verwendet.