Warum Banken immer wieder Sanktionen brechen

Sanktionen sollten Irans Urananreicherung stoppen und Russland von der Krim fernhalten. Aber warum funktionieren sie so häufig nicht? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Von Mauritius Much

Was sind Sanktionen?

Sanktionen sind Strafmaßnahmen, die auf verschiedenen Gebieten verhängt werden können. Bei diplomatischen Sanktionen werden beispielsweise Botschafter ausgewiesen, bei Sportsanktionen dürfen Länder ihre Sportlerinnen und Sportler nicht zu wichtigen Veranstaltungen wie Olympischen Spielen oder Fußball-Weltmeisterschaften schicken. Am verbreitetsten sind Wirtschaftssanktionen, die vom Verbot einzelner Überweisungen bis hin zum kompletten Ausschluss vom Handel mit Dollar reichen können.

Wer verhängt Sanktionen?

In der Regel sind es internationale Organisationen wie die EU oder einzelne Staaten wie die USA, Kanada oder das Großbritannien, die Sanktionen beschließen. Deutschland verhängt selbst keine Sanktionen, ist jedoch als Mitglied der EU und der Vereinten Nationen an vielen Strafmaßnahmen beteiligt. Auf den Verstoß gegen eine EU-Sanktion stehen in Deutschland bis zu zehn Jahre Haft.

Was ist der Zweck von Sanktionen?

Sanktionen richten sich meist nicht gegen ein ganzes Land, sondern gezielt gegen Mitglieder einer Regierung oder andere Einzelpersonen, Finanzinstitute und Firmen. Das Ziel von Sanktionen ist aber dennoch, Regierungen dazu zu bringen, ihr Verhalten zu ändern. Beispielsweise soll Iran dadurch am Bau einer Atombombe gehindert werden; Russland soll sich von der annektierten Halbinsel Krim zurückziehen.

Treffen Sanktionen jedes Land in gleicher Weise?

Nein. Sanktionen sind meist individuell auf das Land zugeschnitten, das getroffen werden soll. „Die Sanktionen gegen Russland sollen nicht die komplette russische Regierung, sondern gezielt Personen aus dem inneren Zirkel von Präsident Putin und bestimmte Transaktionen russischer Unternehmen treffen“, erklärt der Washingtoner Anti-Geldwäsche-Experte Ross Delston. Die US-Sanktionen gegen Iran richteten sich hingegen nicht gegen Einzelpersonen, sondern stattdessen seien, so Delston, Regierungseinheiten wie die Revolutionsgarden und große Teile der iranischen Wirtschaft das Ziel, um Iran vom Bau einer Atombombe abzubringen.

Wie unterscheiden sich Sanktionen, die von der US-Regierung verhängt werden, von jenen, die die Europäische Union ausspricht?

Die US-Sanktionen sind in der Regel weiter gefasst als EU-Sanktionen. „Die USA betrachten Sanktionen als ein Instrument der Außenpolitik, während die Europäer Handelsbeschränkungen viel seltener als Mittel zur Bestrafung anderer Länder nutzen wollen“, sagt Ross Delston. Experten sprechen von „Lawfare“: Gesetze und Sanktionen werden gezielt eingesetzt, um einen regelrechten Handelskrieg zu führen oder um Staaten, Organisationen beziehungsweise Einzelpersonen zum Umdenken zu zwingen. So kündigte US-Außenminister Mike Pompeo etwa Anfang September an, die Chefanklägerin des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag auf die Sanktionsliste zu setzen, nachdem diese den Weg für ein Ermittlungsverfahren gegen US-Soldaten und CIA-Mitglieder wegen möglicher Kriegsverbrechen in Afghanistan frei gemacht hatte.

Selbst europäische Banken scheinen die US-Sanktionen mehr zu fürchten als Strafmaßnahmen der EU. „US-Sanktionen haben eine abschreckendere Wirkung, weil sie eine globale Reichweite haben“, sagt die Anwältin und Sanktionsexpertin Hdeel Abdelhady, die an der George-Washington-Universität in der Hauptstadt der USA lehrt. Der Grund: Das US-Finanzsystem ist für internationale Transaktionen von zentraler Bedeutung. Europäische Banken müssen in der Lage sein, Überweisungen in US-Dollar auszuführen. Würden sie aus dem US-Finanzsystem ausgeschlossen, weil sie mit von den USA sanktionierten Personen oder Firmen weiter Geschäfte machen, könnten sie keine Transaktionen mehr in Dollar abwickeln. 2019 ist das zum Beispiel der russischen Evrofinance Mosnarbank passiert, weil sie der sanktionierten staatlichen Ölfirma Venezuelas dabei geholfen hat, eine Kryptowährung zu etablieren. Für alle großen Banken wäre der Ausschluss vom Dollar wohl gleichbedeutend mit ihrem Ende.

Was ist der Unterschied zwischen primären und sekundären Sanktionen?

US-Bürgern und -Firmen sowie US-Niederlassungen ausländischer Institutionen (etwa Banken) ist es verboten, direkte Geschäfte mit Sanktionierten zu machen. Das nennt man primäre Sanktionen. Die sekundären Sanktionen richten sich gegen Personen oder Firmen, die nicht aus den Vereinigten Staaten stammen oder dort eine Zweigstelle haben. „Dadurch müssen auch sie ihre Beziehungen zu einem Land wie Iran beenden, wenn sie weiter Geschäfte in US-Dollar tätigen wollen“, sagt die US-Amerikanerin Sarah Beth Felix, die Banken und Firmen in Sachen Sanktionen und Geldwäscheprävention berät. Solche sekundären Sanktionen drohten zuletzt Mitglieder des US-Senats einem Fährhafen auf Rügen an, in dem russische Schiffe zum Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 lagen.

Was ist zu tun, wenn eine Bank feststellt, dass sie Geschäfte mit einer sanktionierten Firma in Russland oder Iran gemacht hat?

In den USA muss eine Bank solche Transaktionen innerhalb von zehn Tagen und in vollem Umfang der zuständigen Sanktionsbehörde OFAC berichten. In Deutschland hat eine Meldung an die Bundesbank zu erfolgen. Werden diese Behörden nicht oder nicht rechtzeitig informiert, drohen Strafen. Eine erfolgte Selbstanzeige bedeutet aber nicht, dass es keine Konsequenzen gibt. Die Strafe könnte jedoch milder ausfallen, meint Sanktionsexpertin Abdelhady.

Was passiert mit Banken, die wiederholt gegen Sanktionen verstoßen?

Jedes Mal, wenn eine Bank ertappt wird, steigen in der Regel die Strafen. „Die US-Regierung geht dabei von dem Grundsatz aus, dass die Strafe beim ersten Sanktionsverstoß nicht groß genug gewesen sein muss, um das Verhalten der Bank zu ändern“, sagt Ross Delston. Zudem könnte dem Institut ein Geschäftsverbot in den USA drohen. So wurde im Jahr 2015 der französischen BNP Paribas für ein Jahr der Zugang zum US-Finanzsystem verwehrt, weil sie gegen Sanktionen verstoßen hatte, die Iran, den Sudan und Kuba betrafen. Zudem musste die Bank enorme 8,9 Milliarden Dollar Strafe zahlen.

Warum gehen Banken so ein Risiko überhaupt ein?

Geschäfte mit Sanktionierten können sich durchaus lohnen: Die britische Bank Standard Chartered soll damit zwischen 2008 und 2014 Hunderte Millionen Dollar verdient haben. Offenbar herrscht bisweilen die Meinung vor, dass die Behörden bei vielen Milliarden Transaktionen nicht jeden Verstoß entdecken können. Und wenn man doch erwischt wird, ist das oft das kleinere Übel. „Einige Banken haben oft ihr eigenes Polster auf Konten aufgebaut, von denen die Geldstrafen bezahlt werden“, sagt Sarah Beth Felix. Häufig fehlten dort auch die Bereitschaft zur Einhaltung von Regeln und das Bewusstsein dafür, welche Geschäfte falsch sind.

Wie erfolgreich sind Sanktionen?

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier lehnte zuletzt Sanktionen gegen Russland wegen des Falls Nawalny mit der Begründung ab, er kenne kein Beispiel, in dem ein Land wie Russland durch Sanktionen zu einer Verhaltensänderung bewegt worden sei. Oder das Beispiel Kuba: „Seit mehr als 50 Jahren haben die USA sehr harte Sanktionen gegen Kuba in Kraft, doch das sozialistische Regime überlebte. Die Strafmaßnahmen waren in diesem Fall nicht sehr wirkungsvoll“, sagt Ross Delston. Sanktionen hielten auch den syrischen Diktator Baschar al-Assad nicht davon ab, weiter Krieg gegen seine eigene Bevölkerung zu führen. Andererseits brachte der Druck durch Sanktionen Iran dazu, mit dem Westen 2015 einen Deal über sein Atomprogramm abzuschließen. Und in Südafrika, so erklärte es der Freiheitskämpfer und spätere Präsident Nelson Mandela, seien es letztlich auch Sanktionen gewesen, die das Ende des Apartheid-Regimes einläuteten.