Ausgefuchst

Ein Steueranwalt, der alles machen konnte. Sein Ziehsohn, der alles machen wollte. Über Gier, Aufstieg und Fall zweier Männer, die mit Cum-Ex-Geschäften viel Geld verdienten – und nun Ärger mit der Justiz haben.

Von Klaus Ott und Nicolas Richter, Illustrationen: Sylvia Neuner

Hanno Berger war der König im Frankfurter „Skyper“–Hochhaus. Auf Mitmenschen wirkte der Steuerberater und Anwalt wie eine Naturgewalt: Körperlich imposant, entschlossen, willensstark, ein Mann mit ungeheuerer Energie. Wenn er Millionengeschäfte anbahnte, rief er einen dazu, den er selbst geformt hatte, seinen besten Mann. Der ließ alles stehen und liegen, wenn der Ziehvater rief. Bergers Büro lag im 32. Stock, der Blick war atemberaubend. „Es gehörte dazu“, sagt der Ziehsohn, „über Menschen und Häuser hinwegzusehen.“

Der Ziehsohn setzte sich an einen kleinen Tisch, den er selbst den „Katzentisch“ nannte. Er berichtete Berger, mit dem er in der Frankfurter Kanzlei zusammenarbeitete, über den Stand neuer Geldanlageprojekte, darüber, wo der Erfolg noch auf sich warten ließ, weil die Kunden zögerten, die Banken zweifelten. Waren alle Probleme aufgelistet, legte Berger los. Er lehnte sich im Chefsessel zurück, die Sekretärin stellte zu den Kunden durch, Berger schaltete auf Lautsprecher.

Und dann redete Berger auf seine Kunden ein, um sie für neue Investitionen zu gewinnen, um letzte Bedenken auszumerzen. „Er bügelte nach“, wie seine Leute sagten. Der Ziehsohn hörte bei den Telefongesprächen jedes Wort mit. Berger habe alle und jeden mitreißen können, sagt er heute. Berger habe den Raum mit Gefühl gefüllt.

Vor einem Dreivierteljahr hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt Berger angeklagt. Zusammen mit mehreren Investmentbankern sowie Privatkundenbetreuern wird ihm schwere Steuerhinterziehung vorgeworfen. Berger und seine mutmaßlichen Komplizen haben laut Anklage zwischen 2006 und 2008 für ihre Kunden Börsengeschäfte mit deutschen Aktien in Höhe von 15,8 Milliarden Euro organisiert – mit dem Ziel, tief in die Staatskasse zu greifen. Was gelungen sei. Die Beschuldigten hätten den Fiskus trickreich getäuscht; mit Bescheinigungen von Banken über angeblich gezahlte Steuern auf Aktien-Dividenden. Steuern, die nie ans Finanzamt abgeführt, aber aufgrund dieser falschen Bescheinigungen vom Fiskus angerechnet oder erstattet worden seien – in Höhe von mehr als hundert Millionen Euro. Berger ist laut Anklage Spiritus Rector gewesen, der juristische Pate.

Berger bestreitet das.

Es ist die erste Anklage in Deutschlands größtem Steuerskandal, viele dürften folgen. Banken, Börsenhändler und Juristen sollen den Staat nach Schätzungen von Steuerfahndern um mehr als zehn Milliarden Euro betrogen haben. Fast alle nationalen und internationalen Großbanken sollen mitgemacht haben. Hunderte Staatsanwälte, Steuerfahnder und Kriminalbeamte ermitteln in mehr als 400 Fällen.

Und so funktionierte Cum-Ex:

.er-layer--intro{background-image:url(_article_intro_image_desktopw1920h1920q70-95a72099d355bf74.jpg);}@media (max-width: 750px){.er-layer--intro{background-image:url(_article_intro_image_mobilew720q70-716d3b846fad1c55.jpg);}}.er-parallax--intro{background-image:url(_article_intro_image_desktopw1920h1920q70-95a72099d355bf74.jpg);background-size:cover;}@media (max-width: 750px){.er-parallax--intro{background-image:url(_article_intro_image_mobilew720q70-716d3b846fad1c55.jpg);}}