Von oben herab

Baumkronen scheinen für Katzen manchmal unwiderstehlich zu sein. Und dann? Zwei Profi-Retter aus den USA führen vor, wie sie die verzweifelten Tiere wieder auf den Boden bekommen.

Von Marie Filine Abel
4. November 2021 - 3 Min. Lesezeit

Es gibt Leute, die retten Katzen aus Bäumen und bekommen Geld dafür. Und es gibt Leute, die retten Menschen aus dem Mittelmeer und werden bestraft. Nun also zu zwei Männern aus der Nähe von Seattle, die ausgebildete Baumpfleger sind, aber im Laufe der Jahre zu nicht ausgebildeten Katzenrettern wurden. Sie heißen Tom Otto, 35, und Shaun Sears, 42, und man kann ihnen auf Youtube bei ihren Rettungsaktionen zusehen – aber schwindelfrei sollte man sein.

Von oben herab

Baumkronen scheinen für Katzen manchmal unwiderstehlich zu sein. Und dann? Zwei Profi-Retter aus den USA führen vor, wie sie die verzweifelten Tiere wieder auf den Boden bekommen.

Es gibt Leute, die retten Katzen aus Bäumen und bekommen Geld dafür. Und es gibt Leute, die retten Menschen aus dem Mittelmeer und werden bestraft. Nun also zu zwei Männern aus der Nähe von Seattle, die ausgebildete Baumpfleger sind, aber im Laufe der Jahre zu nicht ausgebildeten Katzenrettern wurden. Sie heißen Tom Otto, 35, und Shaun Sears, 42, und man kann ihnen auf Youtube bei ihren Rettungsaktionen zusehen – aber schwindelfrei sollte man sein.

»Kitty, pretty boy, hey!«, ruft eine männliche Stimme liebevoll. Es folgt ein klägliches Miauen, das lauter und lauter wird. Ein paar Sekunden später hat es der Mann bis hoch in die Baumkrone geschafft – und wir reden hier nicht von der niedlichen Birke im Vorgarten, sondern von gigantischen Nadelbäumen, vierzig, fünfzig Meter hoch.

Grendel wurde von einem Hund auf den Baum gejagt. Sie ist zutraulich, aber nicht alle Katzen freuen sich, ihre Retter zu sehen. Deswegen trägt Tom Otto zunächst bissfeste Handschuhe bis zum Ellenbogen.

Grendel wurde von einem Hund auf den Baum gejagt. Sie ist zutraulich, aber nicht alle Katzen freuen sich, ihre Retter zu sehen. Deswegen trägt Tom Otto zunächst bissfeste Handschuhe bis zum Ellenbogen.

Doch die Katze klettert immer weiter, Meter für Meter, sie strauchelt, die Äste beben. »Oh no, no, no, Jesus«, die Katze fällt – direkt in Tom Ottos Arme. Vor zwölf Jahren gründeten Otto und Sears das Zwei-Mann-Unternehmen Canopy Cat Rescue. »Voriges Jahr haben wir 668 Katzen gerettet, dieses Jahr werden es wohl mehr als 700 sein«, sagt Shaun Sears, der – wie Otto – irgendwann keine Zeit mehr für seinen Job als Baumpfleger hatte, weil immer irgendwo eine Katze hockte, die da nicht hingehörte. Dann eben Katzen, sagten sich Sears und Otto. Vollzeit. Zwei bis drei pro Tag, auch am Wochenende, auch hundert Kilometer entfernt.

Katzen kommen leichter rauf als runter. Schuld sind ihre Krallen. Physiologisch müssten sie rückwärts, also blind, einen Baumstamm nach unten klettern.

Katzen kommen leichter rauf als runter. Schuld sind ihre Krallen. Physiologisch müssten sie rückwärts, also blind, einen Baumstamm nach unten klettern.

Das Erfüllende dabei: die Freude, die Erleichterung, diese unglaubliche Dankbarkeit der Besitzer, insbesondere wenn sie dachten, ihre Katze sei tot. »Dann bin ich am Telefon und sage: Hey, wir haben gerade Ihre Katze aus einem Baum gerettet«, sagt Sears. Die Besitzer zahlen, was sie angemessen finden, im Schnitt 75 Dollar, manche mehr, manche gar nichts. Die Philosophie lautet: Katzenrettung soll kein Luxus sein. Damit das Geld nicht ausgeht, kann man auf der Webseite von Canopy Cat Rescue spenden und T-Shirts kaufen. Auch auf Instagram sind die beiden vertreten. Mehr als 40 000 Menschen folgen ihnen. Wieso klettern Katzen überhaupt auf Bäume? Oft seien es Raubtiere wie Luchse oder Kojoten, die Katzen auf Bäume jagen, sagt Sears.

Dann harrten sie dort tage-, manchmal wochenlang aus, bei Hitze oder Starkregen. »Wie sie überleben, weiß ich nicht genau«, sagt Sears. »Vielleicht lecken sie Regenwasser vom Fell oder finden Käfer zum Fressen.« Manche Rettungsaktionen dauern dann auch tagelang, etwa wenn eine Katze vor lauter Angst immer weiter nach oben klettert und auf angrenzende Bäume springt. Dann muss ein Baum auch mal beschnitten werden. Eigentlich hat Sears eine tiefe Stimme. Aber auch die klettert hinauf, sobald er eine Katze in einer Baumkrone entdeckt.

Shaun Sears und Tom Otto rufen die Katzen, wennmöglich, immer bei ihrem Namen. Das schaffe Vertrauen. »70 Prozent freuen sich, wenn sie uns sehen, 30 Prozent haben Angst«, sagt Sears.

Nicht jede Rettung verläuft reibungslos. »Wir haben jedes Szenario gesehen, das man sich vorstellen kann«, sagt Shaun Sears.

Shaun Sears und Tom Otto rufen die Katzen, wennmöglich, immer bei ihrem Namen. Das schaffe Vertrauen. »70 Prozent freuen sich, wenn sie uns sehen, 30 Prozent haben Angst«, sagt Sears.

Nicht jede Rettung verläuft reibungslos. »Wir haben jedes Szenario gesehen, das man sich vorstellen kann«, sagt Shaun Sears.

Manchmal müssten Planen gespannt werden, um den Sturz der Katze abzufedern, »falls sie springt, ausrutscht oder fallen sollte«. Ansonsten sind Otto und Sears mit Helm, Klettergurt, Seilen, Sack und Netz ausgerüstet. Einmal ist eine Katze mit knapp zehn Kilo auf Sears gestürzt. Beide blieben unverletzt.

MARIE FILINE ABEL wird ab jetzt in Bäumen nach zu rettenden Katzen Ausschau halten – auch wenn sie eigentlich kein großer Fan von ihnen ist. Bis heute fragt sie sich, was zuerst da war: ihre Abneigung gegenüber diesen Tieren oder ihre Katzenhaarallergie.
MARIE FILINE ABEL wird ab jetzt in Bäumen nach zu rettenden Katzen Ausschau halten – auch wenn sie eigentlich kein großer Fan von ihnen ist. Bis heute fragt sie sich, was zuerst da war: ihre Abneigung gegenüber diesen Tieren oder ihre Katzenhaarallergie.

Team

Text Marie Filine Abel
Digitales Storytelling Friedrich Bungert
Fotos und Video Canopy Cat Rescue
Digitales Design Sandra Hartung