Meine Spiele

Olympische Spiele waren immer schon Drama und Triumph, Betrug und Blick in die Seele. SZ-Reporter über ihren speziellen Olympia-Moment.

Ikarus bleibt oben

Los Angeles 1984

Die Sonne stand hoch über Kalifornien, als der Raketenmann im Stadion abhob. Ein Ikarus der Gegenwart. Der Mensch will fliegen, und er will oben bleiben. Der alte Ikarus war der Sage nach übermütig geworden, kam der Sonne zu nahe, das Wachs schmolz, das seine Federflügel zusammenhalten sollte. Auch viele Amerikaner stürzten ab, die 1984 in Los Angeles ganz oben waren. Carl Lewis war der 100-Meter-Sieger, gewann vier Goldmedaillen – und wurde Jahre später als Schummler enttarnt. Florence Griffith-Joyner stellte die spektakulärste Fingernagel-Kollektion vor, die je ein Spitzensportler trug, sie gewann über 200 Meter ihre erste Olympiamedaille – verstarb aber schon mit 38; der Hochleistungskörper hielt nicht aus, was ihm zugemutet wurde. Und Peter Ueberroth organisierte zwar die ersten privat finanzierten Sommerspiele der Neuzeit, weshalb er 1984 vom Time Magazin zum „Man of the year“ gewählt wurde – bekam aber 2003 beim Versuch, Gouverneur Kaliforniens zu werden, gerade 0,29 Prozent der Stimmen. Oben blieb nach diesen Spielen, bei denen die Welt das Wort Smog zu buchstabieren lernte, die zeitlebens reservierte Ulrike Meyfarth. Zwölf Jahre nach München, wo sie erst 16 war, gewann die Deutsche erneut Gold im Hochsprung. Und oben blieb jener James-Bond-Adept mit dem Raketenrucksack. Jedenfalls so lange er es wollte. Weil so viele Fotos aus L.A. später ihren Glanz verloren, blieb seine Flugeinlage mehr als nur der Gag der Eröffnungsfeier.

Klaus Hoeltzenbein leitet die Sportredaktion der SZ. Er berichtete von den Sommerspielen 1980, 1984 und 1988.