Bundesliga

Die Elf der Hinrunde

Zwei Leipziger, zwei Gladbacher, zwei Dortmunder, zwei Schalker, aber nur ein Spieler vom FC Bayern. Die Mannschaft spiegelt den überraschenden Verlauf der ersten 17 Saisonspiele wider

Alexander Nübel

Schalke 04

Womöglich ist Alexander Nübel, 23 Jahre alt und zweifellos sehr talentiert, nicht der beste Torwart der Liga gewesen. Womöglich haben andere ein paar Fehler weniger gemacht und ein paar Bälle mehr gehalten. Allerdings hat kein anderer Torhüter so spektakulär daneben getreten wie Nübel, als er neulich dem Frankfurter Mijat Gacinovic in den Weg und gegen die Brust sprang. Das sah aus, als werde Nübel auf Schalke nicht vom Torwartlehrer, sondern von einem Nachfahren des Kampfkünstlers Bruce Lee trainiert. Die Schalker waren erfreut, dass die DFB-Sportrichter den geständigen Attentäter lediglich vier Spiele sperrten. Spielen wird Nübel auf Schalke womöglich trotzdem nicht mehr: Nachdem er jetzt seinen Weggang zum Saisonende (und aller Voraussicht nach zum FC Bayern) angekündigt hat, könnte künftig Stellvertreter Markus Schubert den Vorzug erhalten. Der ist auch sehr talentiert. Philipp Selldorf

Mats Hummels

Borussia Dortmund 

Cathy Hummels saß kürzlich sehr prominent bei Verstehen Sie Spaß? auf der ARD-Samstagabend-Couch, später kam noch Thomas Gottschalk dazu. Man weiß nicht, ob der Fußballer Mats Hummels auch Spaß versteht, aber nach dem Auftritt seiner Frau dürfte er noch motivierter sein als sonst. Er muss ja eh immer aufpassen, dass er nicht zum Spielermann seiner Cathy degradiert wird, die den für den Erhalt der Menschheit so wichtigen Beruf der Influencerin ausübt. Zwar hat Hummels im Spiel manchmal ein Tempo, das dem auf einer ARD-Couch nicht unähnlich ist, aber für den Erhalt der Titelchancen des BVB ist der Abwehrchef nach wie vor von zentraler Bedeutung. Hummels bleibt Dortmunds wichtigster Influencer. Christof Kneer

Martin Hinteregger

Eintracht Frankfurt

Martin Hinteregger präsentierte sich schon im Sommer in erstaunlicher Frühform, zumindest für einen Oktoberfestbesucher, der im falschen Zelt gelandet ist. Zur Erinnerung: Der Österreicher reiste nach dem Leih-Ende in Frankfurt widerwillig mit Augsburg ins Trainingslager in ein Tiroler Nest, wo er torkelnd auf dem Dorffest gefilmt wurde. „A bsoffene Gschicht“ sozusagen, nach der die Verhandlungen über eine Rückkehr nach Frankfurt wie geschmiert liefen – sehr zur Freude der Eintracht-Fans, die seine Rückkehr mit einem „Hinti-Song“ feierten. Die mitunter hüftsteif wirkende Ein-Mann-Armee Hinteregger (Songzeile: „Er rasiert den Gegner auch ohne Schaum“) ist in Frankfurt nicht nur Fanliebling, sondern mit sechs Treffern auch der zweitbeste Torschütze. Thomas Gröbner

Philipp Max

FC Augsburg 

Es ist rund zwei Jahre her, da empfahl der Augsburger Trainer Manuel Baum einen seiner Spieler für die Nationalelf. Der Linksverteidiger Philipp Max bereitete damals ständig Tore vor (13 in einer Saison) und schoss gefährliche Standards. Joachim Löw missachtete den Rat allerdings, andere Linksverteidiger gefielen ihm in der Defensive besser. Zwischenzeitlich geriet dann Baums Idee etwas in Vergessenheit und der FC Augsburg auf Abwege: Der Trainer wurde entlassen, Spieler gingen oder wollten weg, auch Max. Ein Transfer im vergangenen Sommer scheiterte allerdings. Und nun ist es wieder ähnlich wie damals: Max hat vier Tore vorbereitet, sogar sechs geschossen, drei davon Freistoßtreffer. Augsburg ist Zehnter – und wartet auf einen Löw-Anruf. Sebastian Fischer

Lukas Klostermann

RB Leipzig

Von RB Leipzig heißt es ja, dass sie nur Talente holen, die sie in einer Dose selbst angebaut haben. Das ist wie alle Klischees nur ein bisschen richtig. So verfügt RB über das schnittigste Außenverteidiger-Paar der Liga, wobei der eine aus Bochum (Lukas Klostermann) und der andere aus St. Pauli (Marcel Halstenberg) kommt. Vor allem Klostermann, 23, hat eine gute Vorrunde hinter sich – und eine gute Zukunft vor sich. Er ist technisch stark, rasend schnell und tut Deutschland Gutes: Ihm ist es zu verdanken, dass der frühere Rechtsverteidiger Joshua Kimmich im Nationalteam ins Mittelfeld umziehen durfte. Weil als Rechtsverteidiger nimmt Jogi Löw jetzt einfach diesen Klostermann. Christof Kneer

Denis Zakaria

Borussia Mönchengladbach

Der Mann kann einen Laden zusammenhalten. Er ist das Scharnier der Überraschungs-Zweiten aus Mönchengladbach. Verbindet wilde Offensive mit bisweilen fahriger Defensive. In der Schweiz nennen sie Denis Zakaria, 23, ihren Alpen-Pogba, weil er in Wucht und Torgefahr an Paul Pogba erinnert, der bei Weltmeister Frankreich im Mittelfeld regiert. Nur ist Zakaria weit weniger divenhaft; ein selbstloserer Teamplayer war in der Liga nicht zu entdecken. Nun kreisen bereits die Geier, es wäre ein Transfermarktwunder, könnte Gladbach diesen Zakaria im Sommer halten. Referenzgröße ist Landsmann Granit Xhaka, 2016 für 45 Millionen an den FC Arsenal verkauft. Wenn Borussia die Seele ihres Spiels schon ziehen lassen muss, dürfte Manager Max Eberl immerhin einen Vereinsrekord verkünden. Klaus Hoeltzenbein

Amine Harit

FC Schalke 04

Nachdem der neue Trainer David Wagner im Sommer den Schalker Kader begutachtet hatte, ließ er den Verein wissen, auf manche Spieler bestens verzichten zu können. In den meisten Fällen war er sich sicher, dass er sie nicht im Team haben wollte, bei Amine Harit, 22, war er zunächst unentschlossen. Er hatte von den Schwierigkeiten gehört, die Schalke mit ihm gehabt hatte, schließlich nahm er ihn auf Bewährung in die Lehre. Harit hörte dann zwar nicht auf, Schwierigkeiten zu machen, das war aber kein Problem, weil darunter nur die Gegner leiden mussten, die den tricksenden Solisten einfach nicht einfangen konnten. Zuhause auf Schalke war Harit hingegen lammfromm und ein Vorzeigeschüler, von Bewährung oder gar Verkauf war sehr bald keine Rede mehr, stattdessen gab es eine Vertragsverlängerung mit Gehaltserhöhung. Ohne Harit wäre Wagners Weihnachtsfest höchstens halb so schön. Philipp Selldorf

Jadon Sancho

Borussia Dortmund

Wenn Jadon Sancho Grenzen überschreitet, dann ist das manchmal großartig für Borussia Dortmund, manchmal eher nicht so. Der Flügelstürmer kann mit dem Ball am Fuß so brillant und schnell sein, dass sich handelsübliche Verteidigerbeine drei- bis viermal verknoten. Neun Tore und zehn Vorlagen, das ist seine Bilanz zur Winterpause. Er ist inzwischen so wertvoll, dass von möglichen Angeboten aus England in dreistelliger Millionen-Höhe die Rede ist. Die anderen Grenzen, die er ab und zu austestet, sind seine eigenen, so sagte es Sportdirektor Michael Zorc, als Sancho im Oktober verspätet von der Nationalelf zurückgekehrt war. Im November kam er schon wieder zu spät, diesmal zu einer Mannschaftssitzung. Sancho, sagte Zorc, sei eben „noch im Prozess des Erwachsenwerdens“. Sebastian Fischer

Timo Werner

RB Leipzig

Die Vorrunde hätte eigentlich eine spannende Fachfrage beantworten sollen: Passt Timo Werner zum FC Bayern? Findet sich der Großraumsprinter im eher kleinräumigen Aufbauspiel der Münchner zurecht? Leider ist diese Frage immer noch nicht beantwortet, weil der fast sicher geglaubte Wechsel nicht zustande kam. Man muss sich jetzt also mit dieser Antwort trösten: Nach Leipzig passt Werner immer noch ziemlich gut. Das muss man ja erst mal schaffen: 18 Vorrundentore schießen, ohne konstant in Bestform zu sein. Im Sommer wäre Werner für die Bayern – vergleichsweise – billig zu haben gewesen, nun könnte er sie teuer zu stehen kommen. Christof Kneer

Marcus Thuram 

Borussia Mönchengladbach

Marcus Thuram steht schon deshalb in dieser Elf, weil er an fast jedem Spieltag seine eigene Sportlerwahl veranstaltet hat. Die Jury: allein er! Der Preis: ein dreckiges Trikot auf einer Fahnenstange. Schon während des Spiels legte Thuram souverän fest, wen er an diesem Tag bei Borussia Mönchengladbach für den Auffälligsten hielt – und nicht selten fiel die Wahl verdientermaßen auf die Nummer „10“, also auf ihn selbst. Thuram schnappte sich das Trikot des Auserwählten, streifte es über die Eckfahne und trug die Standarte durch die Arena. Mit zehn Toren in 25 Pflichtspielen hat sich der Franzose ein eigenes Profil verschafft. Fast vergessen ist, was anfangs betont wurde: dass der 22-Jährige der Sohn eines berühmten Vaters ist. Von Lilian Thuram, Weltmeister 1998. Klaus Hoeltzenbein

Robert Lewandowski

FC Bayern

Es war im Februar, da gab es tatsächlich die Diskussion, ob Robert Lewandowski nicht zum Problem für den FC Bayern werden könnte. Angestoßen hatte die Debatte der TV-Experte Didi Hamann, die Argumentation ging so: Beim Polen würden Anspruch und Wirklichkeit auseinandergehen, in den wichtigen Spielen treffe er nicht. Nun ist das Jahr 2019 abgeschlossen und Lewandowski ist mit 54 Toren in 58 Spielen der beste Stürmer Europas. In der Liga steht er bei 19 Toren, der ewige Rekord von Gerd Müller (40 Tore) ist in Sicht. Warum es so gut läuft? Lewandowski ist mit dem Kopf voll in München und nicht halb in Madrid, und Arjen Robben, der mit ebenso viel Wucht wie Eigensinn das Tor suchte, ist nicht mehr da. Aber klar: Die wichtigen Spiele kommen noch. Martin Schneider