Pegasus-Projekt

Spähangriff auf Staatsspitzen

Vor dem Handy-Spion Pegasus ist auch die Politik nicht sicher: Eine Telefonnummer des französischen Präsidenten Emmanuel Macron findet sich im Pegasus-Projekt-Leak genauso wie die Nummern von 13 weiteren Staats- und Regierungschefs - und sogar die eines Königs.

Von Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Ralf Wiegand

18. Juli 2021 - 5 Min. Lesezeit

Der französische Präsident Emmanuel Macron ist ins Visier der Spähsoftware Pegasus geraten. Das belegt eine Liste geleakter Telefonnummern, die die Süddeutsche Zeitung einsehen konnte. Offenbar hat ihn eine marokkanische Behörde 2019 ausgeforscht. Bei der Liste handelt es sich den Recherchen zufolge um die Nummern potenzieller Ausspäh-Ziele, die von Kunden der israelischen Spionagefirma NSO Group vorausgewählt wurden. Insgesamt finden sich im Leak des Pegasus-Projekts die Telefonnummern von 14 Staats- oder Regierungschefs, die während ihrer Amtszeit Opfer des Handy-Spions Pegasus geworden sein könnten.

Die Pariser Non-Profit-Redaktion Forbidden Stories und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bekamen Zugang zu den sensiblen Daten, den sie dann mit der Süddeutschen Zeitung, NDR und WDR sowie 15 weiteren Medien aus zehn Ländern geteilt haben.

Emmanuel Macron ist bekannt dafür, seine Mobiltelefone exzessiv zu nutzen, auch zur Steuerung seiner Regierung. In den Pegasus-Projekt-Daten findet sich nun eine Telefonnummer, die er nach Informationen des SZ-Partners Le Monde mindestens seit dem Jahr 2017 verwendet.
Emmanuel Macron ist bekannt dafür, seine Mobiltelefone exzessiv zu nutzen, auch zur Steuerung seiner Regierung. In den Pegasus-Projekt-Daten findet sich nun eine Telefonnummer, die er nach Informationen des SZ-Partners Le Monde mindestens seit dem Jahr 2017 verwendet.

Aus dem Élysée-Palast hieß es am Dienstagabend auf Nachfrage: „Wenn die Vorwürfe sich als richtig erweisen sollten, wären sie sehr schwerwiegend.“ Die Enthüllungen der Journalistengruppe müssten vollständig aufgeklärt werden. "Wir werden das natürlich nicht auf die leichte Schulter nehmen", sagte Gabriel Attal, der Élysée-Sprecher. Die NSO teilte auf Anfrage mit, sie könne ausschließen, dass Macron mögliches Ziel eines NSO-Kunden sei, jetzt oder früher.

In den Daten finden sich indes weitere Nummern hochrangiger französischer Politiker, etwa die des damaligen Premierministers Édouard Philippe sowie von etlichen Ministerinnen und Ministern seiner im ersten Halbjahr 2019 amtierenden Regierung. Auch die Mobilnummer von Charles Michel, damals Belgiens Premierminister und heute Präsident des Europäischen Rates, war ein potenzielles Ziel marokkanischer Behörden.

Die marokkanische Botschaft in Paris erklärte, es handele sich um "unbegründete Anschuldigungen”, die man schon in der Vergangenheit “kategorisch zurückgewiesen” habe. Die Regierung des Königreichs und ihre Behörden hätten “niemals Computersoftware erworben”, um “Kommunikationsgeräte zu infiltrieren, noch haben die marokkanischen Behörden jemals auf solche Handlungen zurückgegriffen”, heißt es in der Stellungnahme.

Derzeit ist noch unklar, ob die Telefone der betroffenen Politiker jeweils tatsächlich mit der Spähsoftware infiziert wurden. Dieser Nachweis ließe sich nur durch eine forensische Untersuchung der Geräte führen, der bislang keiner der Politiker offiziell zugestimmt hat. Dagegen haben die Spezialisten von Amnesty International auf den Handys französischer Journalistinnen und Journalisten Spuren der NSO-Spähsoftware Pegasus gefunden.

Auch hinter diesen Angriffen wird eine marokkanische Behörde vermutet. Smartphones, auf denen Pegasus erfolgreich platziert wurde, können nahezu lückenlos abgehört und ferngesteuert werden, so lassen sich etwa Kamera und Mikrofon heimlich einschalten. Das Programm umgeht auch die Verschlüsselung ansonsten als sicher geltender Messengerdienste.

Nach Angaben der NSO Group ist die Software für die Überwachung von Terroristen und mutmaßlichen Kriminellen gedacht. Das Ausspähen von Politikerinnen und Politikern fällt demnach nicht unter die erlaubte Nutzung. Die israelische Firma lässt erklären, weder zu ihren Kunden Stellung zu nehmen, noch Zugriff auf deren Zielauswahl zu haben. Nach eigenen Angaben verkauft die NSO Pegasus-Lizenzen nur an staatliche Stellen. Man wehre sich gegen falsche Anschuldigungen, werde aber mutmaßliche Fälle von Missbrauch ihrer Software überprüfen und sich gegebenenfalls von Kunden trennen, was in der Vergangenheit bereits geschehen sei.

Staatliche Stellen, die über Pegasus verfügen, interessierten sich offenbar auch für den irakischen Präsidenten Barham Salih...

... und den Präsidenten Südafrikas, Cyril Ramaphosa.

Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi geriet den Recherchen zufolge ins Visier marokkanischer Behörden.

Der ehemalige mexikanische Präsident Felipe Calderón wiederum wurde offenbar von Stellen seines eigenen Landes ins Visier genommen, allerdings nach seiner Amtszeit.

Sogar eine Nummer, die nach den Projekt-Pegasus-Recherchen dem marokkanischen König Mohammed VI. zuzuordnen ist, findet sich auf der Liste der 50 000 potenziellen Ausspähziele.

Staatliche Stellen, die über Pegasus verfügen, interessierten sich offenbar auch für den irakischen Präsidenten Barham Salih...

... und den Präsidenten Südafrikas, Cyril Ramaphosa.

Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi geriet den Recherchen zufolge ins Visier marokkanischer Behörden.

Der ehemalige mexikanische Präsident Felipe Calderón wiederum wurde offenbar von Stellen seines eigenen Landes ins Visier genommen, allerdings nach seiner Amtszeit.

Sogar eine Nummer, die nach den Projekt-Pegasus-Recherchen dem marokkanischen König Mohammed VI. zuzuordnen ist, findet sich auf der Liste der 50 000 potenziellen Ausspähziele.

Auch in diesem Fall war es offenbar ein Geheimdienst des eigenen Landes, der sich für den Monarchen interessierte. Die NSO teilte mit, der Monarch sei nie Ziel oder mögliches Ziel eines ihrer Kunden gewesen.

Insgesamt konnte das Pegasus-Projekt-Team die Nummern von Regierungsmitgliedern aus mehr als 20 Ländern sowie von Hunderten Regierungsbeamten aus mehr als 30 Ländern identifizieren.

Auch globale Organisationen sind demnach potenzielle Ziele staatlicher Überwachung.

Die Handynummer des Äthiopiers Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, ist im Leak ebenso gelistet wie die verschiedener UN-Botschafter und anderer Diplomaten. Auch zu diesem Namen nahm die NSO Stellung: Ghebreyesus sei weder jetzt noch früher Ziel oder mögliches Ziel eines NSO-Kunden.

Die Handynummer des Äthiopiers Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, ist im Leak ebenso gelistet wie die verschiedener UN-Botschafter und anderer Diplomaten. Auch zu diesem Namen nahm die NSO Stellung: Ghebreyesus sei weder jetzt noch früher Ziel oder mögliches Ziel eines NSO-Kunden.

Ghebreyesus scheint nach den Pegasus-Projekt-Recherchen ebenso wie die französischen und algerische Ziele von marokkanischen Behörden ins Visier genommen worden zu sein, Pakistans Regierungschef Imran Khan von indischen Behörden. Saad Hariri (Libanon) und Barham Salih (Irak) scheinen das Interesse sowohl von Saudi-Arabien als auch der Vereinigten Arabischen Emirate geweckt zu haben, Ägyptens Premier sollen allein die Saudis, den jemenitischen Regierungschef hingegen nur die Emirate auf dem Radar haben. Der Präsident von Südafrika und der damalige Premierminister von Uganda wurden den Recherchen zufolge von entsprechenden Stellen in Ruanda anvisiert - allerdings bestreitet Ruanda, Pegasus überhaupt zu nutzen. Die Regierungen von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten ließen Anfragen zur Nutzung von NSO-Software unbeantwortet. Aus Indien kam die Erklärung, die indischen Behörden würden nach Recht und Gesetz operieren.

Team

Collage Stefan Dimitrov
Infografik Sarah Unterhitzenberger
Digitales Design Felix Hunger