Operation „Honigbiene“

Wer über den Landweg nach China einreist, muss wissen, was ihm blüht: Die Grenzpolizei fällt über das Smartphone her, eine App saugt dann viele private Informationen ab. Eine Recherche aus einem beispiellosen Überwachungsstaat.

13 Minuten Lesezeit

Von Katharina Brunner, Lea Deuber, Felix Ebert, Frederik Obermaier, Nicolas Richter und Vanessa Wormer

Peter Hart muss seinen Koffer auspacken. Wäsche, Duschzeug, Souvenirs seiner bisherigen Reise auf der alten Seidenstraße durch Asien. Peter Hart, der in Wahrheit anders heißt, will weiter über die Grenze nach China, chinesische Beamte filzen ihn und sein Gepäck.  

Hart ist nervös, seine Hände zittern, als er Postkarten einer Moschee hervorholt. „Wo ist das?“, fragt ein Beamter, während ein anderer Hart filmt. Als Nächstes entdeckt der Grenzpolizist einen „Lonely Planet“-Reiseführer, den Hart dabei hat; darin ist ein Mann mit Turban zu sehen, offenbar ein Muslim. „Kennen Sie diesen Mann?“, fragt ihn der Polizist auf Chinesisch und deutet auf das Foto.

Wie viele andere Touristen und Geschäftsreisende ging Hart davon aus, dass von der massiven chinesischen Überwachung in der Region nur Einzelne betroffen sind. Seinen Urlaub wollte er sich davon jedenfalls nicht ruinieren lassen. Es kam dann allerdings alles etwas anders.

Die Kontrolle an diesem Checkpoint ist so aufwendig, dass die chinesische Polizei dafür eine Halle errichtet hat. Hart hat sich bereits im Nacktscanner dreimal drehen müssen, um von allen Seiten erfasst zu werden. Dann das Gepäck: Für seine mehrwöchige Asienreise hat er nur einen kleinen Koffer dabei, nach einer Viertelstunde sind die Beamten damit fertig. Aber die wichtigste Durchsuchung folgt noch: die des Smartphones.

Ein Grenzpolizist verlangt Harts Handy, lässt ihn die PIN-Nummer eintippen und verlässt den Raum. An der Wand steht der Slogan der chinesischen Grenzpolizei, die sich „Sonnenschein-Service“ nennt und eine „bequeme, sofortige und intelligente“ Einreise verspricht.

Peter Harts Handy wiegt nur einen Bruchteil dessen, was sein Koffer wiegt, aber es verrät mehr über ihn, als es ein Gepäckstück je könnte. Es verrät, wen er liebt und wen er hasst. Es verrät, wann er aufgestanden ist, wohin er reist, wen er getroffen hat und wen er treffen will. Keine Erfindung hat den Menschen so durchsichtig gemacht wie das permanent vernetzte Smartphone, dem jeder so viel anvertraut.

Harts Smartphone liegt jetzt in einem Raum, der nicht viel größer ist als eine Abstellkammer. Hart darf diesen Raum nicht betreten, eine SZ-Reporterin aber bekommt Zugang. Auf einem Tisch liegen ein Dutzend Handys, jedes Gerät auf dem Pass seines jeweiligen Eigentümers. Mehr als ein Dutzend Personen haben an diesem Morgen die Grenze überquert – europäische und asiatische Touristen, kirgisische Lkw-Fahrer und chinesische Unternehmer haben ihre Smartphones, Tablets und Computer abgeben müssen. Weil der Polizist an vielen Geräten gleichzeitig arbeitet, verwechselt er sie öfters, später muss er Reisende darum bitten, ihm bei der Zuordnung zu helfen.

Ein Grenzbeamter verbindet Harts Handy mit einem Wlan-Netz und lädt eine App auf das Gerät, 3,9 MB, so groß wie zwei Fotodateien. Auf Harts Bildschirm erscheint eine weiße Oberfläche mit zwei Feldern. Auf einem steht „Durchsuchung starten“, auf dem anderen „deinstallieren“. Der Polizist tippt auf „Durchsuchung starten“. Der Abfluss persönlicher Daten an den chinesischen Staat beginnt.

Ein Auszug aus dem Code der App  „Fengcai“.

SZ

Ein Auszug aus dem Code der App „Fengcai“.

Doch wird dieser Staat jetzt selbst ein bisschen durchsichtiger?

Denn zum ersten Mal ist es gelungen, die chinesische Überwachungsapp zu durchleuchten. Sie wurde der Süddeutschen Zeitung Anfang des Jahres von einem Touristen zugespielt. Die SZ begleitete daraufhin weitere Touristen über die Grenze, unter ihnen Peter Hart, um herauszufinden, ob die App auf die Handys aller Besucher aufgespielt wird. Gleichzeitig werteten die SZ, der NDR, der Londoner Guardian, die New York Times und die Fachpublikation Vice Motherboard die App zusammen mit der Ruhr-Universität Bochum aus. Die Ergebnisse wurden durch den Open Technology Fund, ein staatlich finanziertes US-Forschungsprogramm, und das Citizen Lab, ein Institut der Universität Toronto, überprüft und ergänzt.

Die App zeigt, wie leicht sich das Leben eines Menschen durchforsten lässt, wenn man sein Mobiltelefon anzapft. Und sie gewährt einen Einblick in die Methoden und in die Denkweise des chinesischen Staats, der den wohl größten Überwachungsapparat der Welt betreibt.

Chinas Präsident Xi Jinping hat diesen Apparat zuletzt massiv ausgeweitet. Das chinesische Internet gehört zu den am stärksten zensierten Netzen weltweit. Im ganzen Land hat die Regierung Kameras aufhängen lassen. Mithilfe eines Sozialkreditsystems will Chinas Regierung Menschen künftig nach ihrer Leistung, ihrem Verhalten sowie ihren Finanzen bewerten. Millionen Menschen dürfen bereits nicht mehr im Schnellzug fahren oder mit dem Flugzeug fliegen – als Strafe.

Die App ist ein weiterer Baustein in diesem System. Ron Deibert vom Citizen Lab in Toronto nennt sie Teil des „dystopischen Plans“ Chinas, mit einer Kombination aus „Technologie und politischer und sozialer Kontrolle“ die Region Xinjiang in ein „digitales Gefängnis“ zu verwandeln. „Solche Apps sind eine große Gefahr für zivilgesellschaftliche Freiheiten, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit“, sagt er.

Die digitalen Forensiker der Berliner Firma Cure 53, die der Open Technology Fund beauftragt hat, kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: Die App könne zweifellos enorme Mengen sehr spezifischer Daten sammeln. „Mit Sicherheit kann dieses Material die Grundlage dafür bilden, gegen eine bestimmte Gruppe (oder Gruppen) von Bürgern vorzugehen“, heißt es. Dies sei eine Menschenrechtsverletzung.

Zu Anfragen für diese Recherche wollten sich weder Chinas Zentralregierung noch die Provinzregierung in Xinjiang äußern. Auch die Firma Nanjing Fiberhome Starry Sky Communication Development, die die App entwickelt hat, schweigt.

Bekannt war bisher, dass chinesische Behörden die Bürger in der westchinesischen Provinz Xinjiang zwingen, Überwachungsapps auf ihre Handys zu spielen. Das Auswärtige Amt schreibt in seinen Reisehinweisen für die Provinz, dass mit der Kontrolle von Smartphone und Kameras zu rechnen sei.

Neu ist, dass der Staat sämtliche Geräte von Ausländern ausforscht, die über den Landweg einreisen – offenbar ohne Anfangsverdacht. Betroffen sind Geschäftsleute und Touristen aus aller Welt, auch aus Deutschland, die über die Grenze zwischen Zentralasien und dem chinesischen Westen einreisen. Darunter mindestens beide Grenzübergänge in Kirgisistan. Die SZ und ihre Partner haben mit mehr als einem Dutzend Betroffenen gesprochen und die App akribisch ausgewertet, um nachzuvollziehen, was die Software auf dem Handy anrichtet und wonach die chinesische Regierung sucht.

Fünf Stunden, bevor Hart sein Handy abgeben muss, ist er in der kirgisischen Siedlung Sarytasch, 70 Kilometer westlich der Grenze, aufgebrochen. Er will nicht, dass zu viele Details über ihn bekannt werden, aus Angst, nicht mehr nach China reisen zu dürfen. Seinen Namen hat die SZ-Redaktion zu seinem Schutz geändert.

Zu Beginn seiner Reise war Hart einverstanden damit, dass ihn eine Reporterin begleitet, und er wollte sich auch zitieren lassen. Immerhin sei die staatliche Überwachung in China eine Sauerei, sagte er. In Europa, sagt er, würde man so etwas nie hinnehmen.

Um sechs Uhr morgens ist Hart an diesem Tag aufgestanden, er isst eine Schale gesüßten Reisbrei und steigt ins Auto. Um nach China zu gelangen, wählt er den Weg über den 3700 Meter hohen Irkeschtam-Pass. 

Die Fahrbahn ist vereist, es schneit. Einige Lastwagen haben die gefährliche Fahrt entlang der Schluchten in der Nacht abgebrochen und am Straßenrand auf Tageslicht gewartet. Zwölf Checkpoints liegen zwischen Hart und China. Die ersten vier Kontrollen finden auf kirgisischer Seite statt, wo sich meist ein oder zwei gelangweilte Soldaten auf ihre Maschinengewehre stützen oder Hart darum bitten, Colaflaschen zum nächsten Grenzposten mitzunehmen. Erst die letzten Meter nach China wirken wie der Weg in den Überwachungsstaat. Nachdem Hart kirgisischen Boden verlassen hat, muss er einige Hundert Meter zu Fuß gehen.

Begrüßt wird er auf der anderen Seite von drei bewaffneten Polizisten. Von nun an muss er an jedem Kontrollpunkt sein Gesicht, seinen Pass und sein Gepäck scannen lassen. Dem westlichen Ausländer bringen die Beamten zwar deutlich mehr Respekt entgegen als den kirgisischen Lastwagenfahrern, die sie meist nur anblaffen. Das Misstrauen ist aber das gleiche. Zwölf Stunden wird Hart am Ende brauchen, um den Grenzkorridor zu überwinden, der 140 Kilometer breit ist und zu den abgelegensten und am schwersten bewachten Grenzen der Welt gehört.

Und kaum irgendwo auf der Welt werden Menschen so engmaschig kontrolliert wie in der Provinz, in die Hart einreist. Chinas Zentralregierung befürchtet, dass die etwa zehn Millionen turkstämmigen Muslime, die hier leben, die Unabhängigkeit anstreben könnten. In Xinjiang und anderen Teilen Chinas gab es wegen der Unterdrückung immer wieder Anschläge islamistischer Terrorgruppen und Separatisten auf Sicherheitskräfte und Zivilisten. Um die Provinz unter Kontrolle zu bringen, hat Peking den Ex-Parteisekretär Tibets, Chen Quanguo, in die Region versetzt. Seit seinem Amtsantritt hat er gut 90 000 neue Stellen im Sicherheitsapparat geschaffen und besetzt. Vor einem Jahrzehnt gab es nicht einmal ein Zehntel davon. 

Die Bevölkerung wird permanent durch Kameras überwacht, die Bewegungsprofile werden gespeichert. Menschen müssen zwangsweise Stimm- und DNA-Proben abgeben. Moscheen wurden abgerissen, andere stehen unter Beobachtung. Islamunterricht ist verboten, ebenso religiöse Zeichen wie Bart oder Kopftuch. Mindestens eine Million Menschen sollen nach Schätzungen der Vereinten Nationen in Arbeitslagern festgehalten werden – ohne Gerichtsverfahren. In den Lagern werden sie gezwungen, Chinesisch zu sprechen, Reden von Präsident Xi auswendig zu lernen und sich zu „sinisieren“, wie es die KP nennt. Das heißt, dass sie sich anpassen sollen an die Lebensweise der Han-Chinesen, die 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Die Organisation Amnesty International spricht von einer der „größten Menschenrechtsverletzungen weltweit“. China nennt es einen Beitrag zum Kampf gegen den Terror.

Der Tourist Hart aber ist kein Terrorist, sondern nur ein Reisender, der sich für Zentralasien interessiert, für die Moscheen, die Menschen und das Essen. Die App, die bei der Einreise auf seinem Handy installiert wird, ist für ihn erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Sie taucht auf seinem Bildschirm inmitten anderer Apps auf, zwischen Facebook und Whatsapp. Das Logo der App ist unscheinbar, es ist der grüne Roboter mit Antennen auf dem Kopf, der das Google-Betriebssystem Android symbolisiert. Es sieht so aus, als gehöre das chinesische Spionageprogramm zur gewöhnlichen Ausstattung seines Smartphones.

Sieht man genau hin, erkennt man unter dem Roboter den Namen der App, Fengcai, was in etwa „sammelnde Honigbienen“ bedeutet. Reiseagenturen in Kirgisistan berichten, dass diese Software mindestens seit 2018 auf die Handys von Touristen aufgespielt werde. Die SZ hat mit Betroffenen gesprochen, deren Einreise mehr als eineinhalb Jahre zurückliegt.

Was also sammeln die Honigbienen? Die knappe Antwort: So gut wie alles. Die App fragt 20 Berechtigungen an; tatsächlich nutzt sie dann den Zugriff auf Kalender, SMS, Kontakte, Speicher, Standort, Anruflisten, Telefonnummer. Das sind fast alle wesentlichen Funktionen. Wie ein Bienenschwarm es auf einer Blumenwiese tun würde, fällt die Fengcai-App über das Gerät her und saugt möglichst viel Honig. Die App, die die SZ untersucht hat, läuft nur auf Geräten mit dem Google-Betriebssystem Android. iPhones dagegen liest der Staat offenbar aus, indem er ein externes Aggregat an die Ladebuchse des Handys anschließt, so legen es Beobachtungen am Grenzposten nahe.

Die App sortiert die erlangten Daten, stellt sie in Tabellenform zusammen und sendet diese Übersichten bereits im Grenzposten als Teil eines „Reports“ über Wlan an einen Computer: 

SZ

An diesem Rechner können die Sicherheitsbeamten die Erstauswertung studieren. Diese beinhaltet sämtliche Kalendereinträge, Anruflisten, Kontakte und SMS. Übertragen werden auch die Profilbilder aller Kontakte auf dem Smartphone. Gleichzeitig bereitet die App die erlangten Informationen maschinell lesbar auf und sendet diese Datensätze mit den Informationen aller auf dem Gerät installierten Apps an den Computer im Grenzposten. Was damit geschieht, ist unklar, womöglich werden die Daten an eine zentrale Polizeidatenbank geschickt und dort systematisch ausgewertet. So ließe sich zum Beispiel feststellen, ob eine Kontaktperson des Reisenden ebenfalls eingereist ist. Ein Teil der App sucht zudem nach Log-ins von chinesischen sozialen Netzwerken sowie Daten einer Navigationsapp.

Aber die „Honigbienen“ können noch mehr, wie ein Test zeigt. An der Ruhr-Universität Bochum legen die Experten ein Smartphone, auf dem die Überwachungsapp gespeichert ist, in eine Metallbox. Dieser Kasten soll das Gerät vom deutschen Mobilfunknetz abschirmen. Im Inneren der Metallbox wurde zugleich ein Wlan-Netz eingerichtet. Dieses Umfeld soll jenem an der chinesischen Grenze entsprechen, die chinesische App dürfte sich dementsprechend so verhalten, wie sie es am Grenzposten tun würde. Nun starten die Techniker den Scan-Modus der App. 

SZ

So sieht die Anwendung aus, wenn man sie startet.

Und tatsächlich meldet diese sofort ein Ergebnis: eine verdächtige Datei, die auf dem Handy gespeichert wurde. Die App meldet den Fund mit einer Anzeige auf dem Bildschirm und einem Piepton, der von einem Computerspiel stammen könnte.

So offenbart sich eine weitere Eigenschaft des chinesischen Überwachungs-Programms. Die „Sammelnde Honigbienen“-App durchsucht das Smartphone nämlich auch nach Inhalten, die aus Sicht der chinesischen Regierung verdächtig sind. Dazu nimmt die App eine Art Fingerabdruck von Dateien, die auf dem Smartphone gespeichert wurden. Diese sogenannten Hashwerte gleicht sie mit einer Datenbank innerhalb der App ab, die 73 315 Einträge enthält.

Alle diese 73 315 Dateien sind aus Sicht der chinesischen Regierung dubios. Dazu gehören Inhalte, die klar terroristisch sind: Pamphlete der Organisation „Islamischer Staat“ oder dschihadistische Gewaltvideos. Die App sucht etwa nach Ausgaben des Dschihadisten-Magazins Inspire, das unter anderem erklärt, wie man zu Hause eine Bombe baut. Es finden sich auch Videos mit Enthauptungen aus dem Irak und Aufnahmen des deutschen Islamisten Denis Cuspert, der wohl vor mehr als einem Jahr in Syrien getötet wurde. Andere Videos zeigen Enthauptungen durch Mitglieder mexikanischer Drogenkartelle.

Findet die App eine solche Datei auf dem Telefon, gibt sie einen Piepton ab, der die Grenzbeamten warnen soll. Außerdem zeigt sie auf dem Smartphone-Bildschirm mit roten Ziffern an, wie viele verdächtige Dateien sie ermittelt hat.

Die SZ und ihre Partner haben aus dem Konvolut der 73 315 als verdächtig eingestuften Dateien gut 500 näher untersucht. Ergebnis: Der chinesische Staat sucht nicht nur nach islamistischen oder terroristischen Inhalten. Einige Dateien, in denen Arabisch gesprochen wird oder die auf Arabisch verfasst wurden, beinhalten harmlose Aufnahmen von Koran-Suren, die gläubige Muslime auf dem Handy speichern.

Eine andere Datei, nach der die App sucht, ist die Aufnahme einer japanischen Metalband, eines ihrer Alben heißt: „Taiwan – another China“. Andere Dateien haben mit Tibet und dem Dalai Lama zu tun, etwa eine Biografie, die eine Organisation in Taiwan herausgegeben hat. Tibet gehört aus Pekinger Sicht zu China, der Status ist aber umstritten. Taiwan ist ein unabhängiger Staat, auf den Peking Anspruch erhebt.

Folglich sucht die chinesische App auch nach Material, das in einem europäischen Land als völlig harmlos gelten würde, etwa über die drei verbotenen Ts – Taiwan, Tibet und Tiananmen (der Platz des Himmlischen Friedens in Peking, auf dem der chinesische Staat 1989 einen Studentenaufstand niederschlug) – sowie nach Inhalten, die auch in China zumindest offiziell von der Religionsfreiheit abgedeckt sein sollten. Es ist eine Sammlung, die belegt, wie groß die Paranoia im neuen China unter Präsident Xi Jinping inzwischen geworden ist, und wie sie sich gegen immer mehr Aspekte des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens des Landes richtet. 

Natürlich nutzen auch westliche, demokratische Staaten Software, um die privaten Daten von Verdächtigen auszuspähen und an der Grenze zu durchsuchen. Um an vertrauliche Kommunikation auf Geräten zu kommen, nutzen deutsche Sicherheitsbehörden sogar eine Spionagesoftware, etwa den sogenannten Bundestrojaner, der ohne das Wissen des Besitzers auf dessen Geräte gespielt wird und im Verborgenen die Kommunikation protokolliert. Der Einsatz ist allerdings mit rechtsstaatlichen Garantien versehen.

Peter Hart, der Tourist, hat die chinesischen Grenzkontrollen nach zwölf Stunden hinter sich. Die App hat in seinem Handy nichts gefunden. Er darf einreisen. Auf den Straßen der Stadt sieht man keine Frauen mehr mit Kopftüchern, Männer tragen keinen Bart. An jeder Straßenecke ist eine Polizeistation zu sehen. Dazwischen marschieren Polizisten in Dreierteams durch die Straßen. Sie tragen Helme, Schutzschilder und Schlagstöcke. Nachts erhellt Blaulicht den Himmel.

Hart nimmt ein Taxi in Richtung der Stadt Kaschgar, in der er den Viehmarkt besuchen will. Der Fahrer hat eine Sondergenehmigung bei der Polizei abholen müssen, um den Ausländer zu fahren. Im Taxi sind drei Kameras angebracht, die Gespräche werden mitgeschnitten. Der Fahrer, ein Uigure, schweigt. Nach einigen Tagen in der Provinz wird Hart sich nicht mehr damit zitieren lassen wollen, was er über das System umfassender Überwachung denkt, und er bittet später darum, seinen wirklichen Namen nicht zu nennen.

.er-layer--intro{background-image:url(_article_intro_image_desktopw2880h2880q70-f72d2074d82eecc9.gif);}@media (max-width: 750px){.er-layer--intro{background-image:url(_article_intro_image_mobilew720q70-780a99fa6deedbba.gif);}}.er-parallax--intro{background-image:url(_article_intro_image_desktopw2880h2880q70-f72d2074d82eecc9.gif);background-size:cover;}@media (max-width: 750px){.er-parallax--intro{background-image:url(_article_intro_image_mobilew720q70-780a99fa6deedbba.gif);}}