Bundestagswahl

Wir entscheiden

Die FDP kommt auf 11,5 Prozent der Stimmen und geht selbstbewusst in den Tag nach der Wahl. Parteichef Christian Lindner will nun erst mal mit den Grünen reden. Und dann?

Von Gianna Niewel

27. September 2021 - 4 Min. Lesezeit

Als Christian Lindner am Montag vor das Rednerpult im Hans-Dietrich-Genscher-Haus tritt, hat er nicht nur gute Laune – er hat auch gute Nachrichten. Die FDP hat zum ersten Mal bei zwei aufeinanderfolgenden Wahlen im Bund zweistellig abgeschnitten.

Sie hat mit 11,5 Prozent eines der besten Ergebnisse der Geschichte errungen, 76 000 Menschen sind Mitglied der Partei, sie hätten eigenständig Wahlkampf geführt und in den vergangenen Wochen und Monaten „die Neugier auf und die Freude an Technologie statt einer Verbotshaltung“ ausgestrahlt – an der Stelle dürften sich die Grünen gegrüßt fühlen.

FDP bei Bundestagswahlen

Mit denen aber – das war die eigentliche Nachricht – will die FDP Vorgespräche zur Bildung einer Koalition führen. Das habe der Bundesvorstand beschlossen, sagte Lindner. Zwischen den beiden Parteien gebe es einerseits die größten inhaltlichen Unterschiede, etwa in der Steuerpolitik, bei der Schuldenbremse oder der Frage, wie der Klimawandel bekämpft werden soll.

Andererseits hätten sich sowohl die FDP als auch die Grünen am stärksten gegen den Status quo der großen Koalition gewandt. Es gelte daher zu prüfen, ob aus ihnen ein „fortschrittliches Zentrum“ einer neuen Koalition werden könne. Im Anschluss sei die FDP dann bereit, auch Einladungen zu Gesprächen mit der Union und der SPD aufzunehmen.

Die Liberalen liebäugeln mit der Union, die Grünen mit der SPD

Zustimmung signalisierte aus der Ferne Grünen-Chef Robert Habeck, der sich ebenfalls für Vorgespräche zu echten Sondierungen aussprach. Während Lindner im Wahlkampf allerdings immer eine Jamaika-Konstellation mit der Union bevorzugt hatte, sahen die Grünen immer in der SPD ihren natürlichen Partner. Wobei Lindner am Montag sagte, er spreche auch mit Olaf Scholz „offen“, in der Vergangenheit etwa über Grundgesetzänderungen, um Zwei-Drittel-Mehrheiten im Bundestag zu organisieren.

Also doch ein ewiges Ringen?

In der Pressekonferenz wollte Lindner dazu nichts sagen. Ebenso unbeantwortet ließ er die Frage, wie weit beide Parteien eigentlich schon vorverhandeln wollen. „Herr Habeck“ und er hätten noch nicht verabredet, was genau sie über die Gespräche öffentlich machen wollten. Lediglich zu deren Beginn äußerte er sich: „zeitnah“.

Für die Liberalen wird neben dem Parteichef auch Generalsekretär Volker Wissing am Verhandlungstisch sitzen. Wissing sprach am Montag davon, dass eine „Herkulesaufgabe“ vor ihnen liege und dass es deshalb wichtig sei, dass jeder Gesprächspartner auf jeder Ebene sich der vollen Verantwortung bewusst sei.

In der Pressekonferenz wollte Lindner dazu nichts sagen. Ebenso unbeantwortet ließ er die Frage, wie weit beide Parteien eigentlich schon vorverhandeln wollen. „Herr Habeck“ und er hätten noch nicht verabredet, was genau sie über die Gespräche öffentlich machen wollten. Lediglich zu deren Beginn äußerte er sich: „zeitnah“.

Für die Liberalen wird neben dem Parteichef auch Generalsekretär Volker Wissing am Verhandlungstisch sitzen. Wissing sprach am Montag davon, dass eine „Herkulesaufgabe“ vor ihnen liege und dass es deshalb wichtig sei, dass jeder Gesprächspartner auf jeder Ebene sich der vollen Verantwortung bewusst sei.

Die Wählerinnen und Wähler hätten ihnen keine einfache Aufgabe gegeben, sie seien deshalb gut beraten, die Gespräche mit dem Fokus auf die Inhalte zu führen. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das erfolgreich machen werden, in welcher Konstellation auch immer.“

Wissing war schon mal erfolgreich – wie Lindner kommt er aus der Landespolitik: In Rheinland-Pfalz hatte seine FDP erst im März einer Ampel zugestimmt, dort aber mit 5,5 Prozent als deutlich schwächster Partner.

Bei der Bundestagswahl hingegen gewann die FDP hinzu, vor allem Stimmen von der CDU. 340 000 zählte das Umfrageinstitut Infratest Dimap; das entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Bielefeld. Darüber hinaus gewannen die Liberalen 150 000 Stimmen von der AfD und 100 000 von der Linken. Stimmen verloren haben sie an die Grünen und die SPD.

Interessant ist dabei nicht nur, welche Wählerinnen und Wähler sich im Vergleich zur vergangenen Wahl umentschieden haben, sondern wer die FDP überhaupt gewählt hat: 23 Prozent der Erstwählerinnen und Erstwähler gaben an, ihr Kreuz bei den Liberalen gemacht zu haben, genauso viele waren es nur bei den Grünen. In einer Umfrage vom früheren Abend lagen die Liberalen sogar um einen Prozentpunkt vorne.

Die Forschungsgruppe Wahlen sah die FDP sogar am stärksten bei den unter 30-Jährigen. In dieser Altersgruppe wählten 19 Prozent die Liberalen, es folgt die Altersgruppe 30 bis 44 mit 13 Prozent, die Altersgruppe 45 bis 59 mit elf Prozent und die über 60-Jährigen mit acht Prozent.

Regional schnitten die Liberalen besonders in Baden-Württemberg gut ab, wo sie auch ihre stärksten Ergebnisse holten: 18,1 Prozent der Zweitstimmen in den Wahlkreisen Rottweil-Tuttlingen und Böblingen. Prozentual zugelegt haben sie in Sachsen und auch im Saarland. Dass sie dort mit 11,5 Prozent der Zweitstimmen den bundesweit höchsten Zuwachs verzeichnen konnten, dürfte allerdings auch daran liegen, dass die Landesliste der Grünen an der Saar nicht zugelassen worden war und sie so keine Zweitstimmen bekommen konnten.

Verloren hat die FDP unter anderem in Nordrhein-Westfalen, wo sie Teil der schwarz-gelben Landesregierung ist. Eines ihrer schlechteren Ergebnisse erzielte sie mit 6,4 Prozent der Zweitstimmen im Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost.

Team

Text Gianna Niewel
Infografik Sarah Unterhitzenberger
Digitales Storytelling Elisabeth Gamperl
Digitales Design Felix Hunger