2004: Freya von Moltke

Wenn der Tod auf ewig bindet

Die SZ hat zum Jubiläum historische Texte aus 75 Jahren neu aufbereitet. Hier geht es um das Leben der Freya von Moltke, einer der Witwen des deutschen Widerstands. Sie lebte in Vermont mit der Erinnerung und 1600 Briefen ihres Mannes.

Von Annette Ramelsberger  

Was vorher geschah:

Was vorher geschah:

Von Joachim Käppner


Deutschland kann ein paradoxes Land sein. Wegen seiner jüngeren Vergangenheit verfügt es über wenige Gründungsmythen und Geschichtshelden, diejenigen aber, die als Held oder Heldin in jedem anderen demokratischen Staat verehrt würden, sind vielen unbekannt. Zu diesen gehört ohne Zweifel Freya von Moltke, geboren 1911 in Köln als Tochter eines Bankiers. 


1931 heiratete sie Helmuth James von Moltke, mit dem zusammen sie ein Jahrzehnt später zu den führenden Köpfen und Vordenkern des deutschen Widerstandes gegen die Nazityrannei wurde. Im Kreisauer Kreis, benannt nach dem Gut der Familie Moltke im schlesischen Kreisau, entwarfen die Regimegegner erste, mitunter träumerische Grundzüge einer Nachkriegsordnung und eines vom Nationalsozialismus gereinigten Deutschlands. 


Im Mittelpunkt ihres Denkens stand eine „von unten“ gestaltete Ordnung als Gegenstück zum Obrigkeitsstaat, dessen schlimmste Ausprägung gerade herrschte, und die Einbindung Deutschlands in den Kreis freier europäischer Nationen. 


Helmuth James von Moltke wurde noch vor dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler 1944 verhaftet und zu Beginn des Jahres 1945 im Gefängnis Berlin-Plötzensee ermordet. 1960 zog sie zu ihrem zweiten Mann, dem Philosophen Eugen Moritz Friedrich Rosenstock-Huessy in die USA. 


In der folgenden Reportage berichtete Annette Ramelsberger über eine sehr alte Dame, die dem Land ihrer Herkunft mehr zu sagen gehabt hätte, als viele dort wissen wollten.      

Der folgende Text ist am 20. Juli 2004 auf Seite 3 der Süddeutschen Zeitung erschienen, 60 Jahre nach dem Attentat auf Adolf Hitler.

Draußen blühen die Rhododendren, die Vögel zwitschern, von den Nachbarn lärmen die Rasenmäher herüber, die die Vorgärten der Häuser im amerikanischen Vermont aussehen lassen wie frisch manikürt. Drinnen ist es ganz still. Keine Uhr tickt, kein Telefon läutet, noch nicht einmal eine Fliege brummt gegen die Fensterscheibe. Es ist so still, dass man glaubt, Gedanken hören zu können.