Das Europaparlament ist ein bunter Haufen. Die 751 neu gewählten Abgeordneten kommen nicht nur aus 28 verschiedenen Ländern, sie gehören auch 181 unterschiedlichen nationalen Parteien an. Um einigermaßen effektiv arbeiten zu können, schließen sich diese Parteien im Europäischen Parlament zu länderübergreifenden Fraktionen zusammen. Die Fraktionen bilden sich entsprechend politischer Lager: Sozialdemokraten gehören zur S&D, Liberale zur Alde, Christdemokraten zur Europäischen Volkspartei (EVP).
Doch viele dieser Gebilde sind fragil. Wie eine Großfamilie, wo zwar alle miteinander verwandt sind, aber nicht unbedingt immer gut miteinander auskommen. Manchmal kommt es zum Bruch, wie etwa bei der EVP, die im März die Mitgliedschaft der Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán aussetzte.
Die Verbindungen und Brüche in Europas politischer Landschaft werden deutlich, wenn man sich die Positionen der Parteien ansieht. Internationale wissenschaftliche Studien ermöglichen es, politische Ausrichtungen über Ländergrenzen hinweg zu vergleichen. Wir haben dafür auf die Chapel Hill Expert Survey (CHES) zurückgegriffen. Dafür hat ein Team aus europäischen und amerikanischen Politikwissenschaftlern für jedes EU-Mitgliedsland die Positionen der wichtigsten Parteien ermittelt.
Für die inhaltliche Bewertung haben die CHES-Wissenschaftler pro Land im Schnitt 16 Länderexperten, in der Regel Politikwissenschaftler, nach den Positionen der Parteien auf vorgegebenen Politikdimensionen befragt und aus den Antworten den Mittelwert berechnet. Positionsdaten für die 14 wichtigsten EU-Staaten liegen aus dem Jahr 2017 vor, für den Rest aus 2014.
In der CHES sind außer der Links-rechts- und der Europa-Dimension noch weitere Parameter enthaltenen, wie etwa die Position zu Einwanderung oder zu Staatsausgaben. Diese hängen allerdings eng mit der Links-rechts-Dimension zusammen. Ein zusätzlicher Unterschied ist nur zu sehen, wenn man gesellschaftspolitische Dimensionen hinzuzieht: Hier wird deutlich, dass die liberalen Parteien der Alde-Fraktion zwar auf der Links-rechts-Skala eher rechts stehen, sich gesellschaftspolitisch aber deutlich von den konservativen Parteien abgrenzen und zu Themen wie Abtreibung oder der Ehe für alle liberale Standpunkte einnehmen.
Die Nachteile der CHES-Daten liegen darin, dass sie nicht jede Partei in der kommenden Legislaturperiode des EU-Parlaments beinhalten. Kleine Splitterparteien oder Ein-Personen-Listen sind nicht enthalten, ebenso wie Parteien, die nach 2014 beziehungsweise nach 2017 gegründet wurden. Mit wenigen Ausnahmen sind jedoch alle Parteien enthalten, die den politischen Diskurs in den EU-Staaten bestimmen.