Exodus

Venezuela könnte eines der reichsten Länder der Erde sein, stattdessen fliehen fast so viele Menschen wie aus Syrien. Unterwegs mit Flüchtlingen, auf der Suche nach einem besseren Leben.

Von Benedikt Peters

Er wird die Brücke niemals vergessen. Wie sie vor ihm lag, 315 Meter Asphalt auf Stahlträgern, die ihn in eine bessere Zukunft führen sollten. Hunderte waren es, die damals, im September 2018, jeden Tag über die Simón-Bolívar-Brücke nach Kolumbien liefen, und er war einer von ihnen.

Er wird die Brücke niemals vergessen. Wie sie vor ihm lag, 315 Meter Asphalt auf Stahlträgern, die ihn in eine bessere Zukunft führen sollten. Hunderte waren es, die damals, im September 2018, jeden Tag über die Simón-Bolívar-Brücke nach Kolumbien liefen, und er war einer von ihnen.

Ronald Reyes erinnert sich, wie er, nach all den Monaten des Hungers und der Sorgen, endlich Venezuela hinter sich gelassen hatte, dieses Land, in dem er nach Jahren der Wirtschaftskrise und der Hyperinflation keine Perspektive mehr sah, so wie so viele andere auch. Was er damals noch nicht wusste: Das Schlimmste stand ihm noch bevor.

Ein halbes Jahr später, nach einem Tausende Kilometer langen Irrweg auf der Flucht, steht er ganze elf Kilometer westlich der Simón-Bolívar-Brücke, in der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta. Und er hat alles verloren: Sein Zuhause, seinen Job, und jetzt auch seine Gesundheit. Ronald Reyes ist 24 Jahre alt, aber manchmal steht er da und fragt sich, wie viel Zeit ihm noch zum Leben bleibt.

Mehr als 3,7 Millionen Menschen – ein Neuntel der Bevölkerung – haben Venezuela inzwischen verlassen. Experten rechnen damit, dass es bis Jahresende mehr als fünf Millionen werden. Das käme heran an die Zahl derer, die aus dem Bürgerkriegsland Syrien geflohen sind. Es ist der größte Exodus, den Lateinamerika je gesehen hat.

Ronald Reyes war auf der Flucht, und jetzt ist er gestrandet. Gestrandet im Haus der Hilfsorganisation Censurados in Cúcuta, die sich um Menschen wie ihn kümmert. Um Menschen, denen das Schicksal übel mitgespielt hat und die trotzdem ihre Hoffnung nicht aufgeben wollen.

Er schläft in Zimmer 5, auf einer Matratze auf dem Boden, teilt sich den Raum mit drei weiteren Flüchtlingen. „Ich bin dankbar für die Hilfe, die ich hier bekomme“, sagt er. Und dann geht er in den Raum nebenan, setzt sich auf einen Stuhl und erzählt seine Geschichte.

Als er 16 Jahre alt war, erzählte Reyes seinen Eltern, dass er Männer liebt. Der Vater wollte das nicht akzeptieren, er schlägt Reyes, bis er es nicht mehr aushält und abhaut. Er schläft mal bei Freunden, mal bei der Tante, daheim in Valencia im venezolanischen Bundesstaat Carabobo. Er findet einen Job in einer Konditorei, und er genießt das Leben. 

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