Balkan-Express

Von Albanien bis Serbien träumen die Menschen von der EU. Eine Reise in sechs Länder, die ihre Hoffnungen auf Europa richten – und die vielleicht auch Europa Hoffnung geben könnten

Von Peter Münch

Das Hotel heißt „Evropa“, im Serbischen ersetzt das „V“ ein „U“. Es liegt im Herzen Belgrads, direkt am Eingang zur Knez Mihailova, der Fußgängerzone. Wenn man frühmorgens aus dem Fenster schaut, dann sieht man Frauen im Businesskostüm auf dem Weg ins Büro und einen Penner, der im Müllcontainer wühlt. Die Filialen von Max Mara und Swarovski haben noch geschlossen, nur Balkan Bet, ein abgewetzter Schuppen für Sportwetten, zieht schon die ersten Besucher an. Es ist grau, am Himmel und unten auf der Straße. Doch die Sonne wird bald scheinen, ganz bestimmt.

Im Hotel Evropa pflegen sie den Glanz des alten Kontinents, und nach der Lesart des Managements gehören Kronleuchter dazu, viel dunkler Marmor sowie weiße Plastikrosen. „Wir haben 17 Zimmer und jedes ist anders“, schwärmt die Dame an der Rezeption. Die Zimmer, erklärt sie, sind nach europäischen Hauptstädten benannt: Rom, Athen oder Moskau. Für die Suite muss Paris Pate stehen. Das Bild von Europa ist klar umrissen im Hotel Evropa.

Nicht mehr als Reminiszenzen allerdings sind das an die alte Zeit. Man kennt sich halt von früher, aber heute hört man voneinander eher in den Nachrichten. Wer auf Europas Landkarte schaut, der sieht 28 Staaten, die dem immer noch feinen Club der Europäischen Union angehören – doch zwischen den EU-Mitgliedern Kroatien und Griechenland ist ein weißer Fleck. Vielleicht sogar ein schwarzes Loch.

Dort liegen die sechs Staaten des Westbalkans, fünf davon gehören zur Konkursmasse des alten Jugoslawien: Serbien und Kosovo, Mazedonien und Montenegro, Bosnien-Herzegowina und dazu noch Albanien. Als EU-Beitrittskandidaten werden sie gehandelt, und auf einem Gipfel in der bulgarischen Hauptstadt Sofia am 17. Mai wollen die Staats- und Regierungschefs der EU mit diesen sechs Ländern die Chancen für die Mitgliedschaft ausloten. Doch viel mehr als ein vages Versprechen ist das bisher nicht, und für manche in der erweiterungsmüden EU gar eine Bedrohung.

Im Hotel Evropa in Belgrad beginnt nun eine Reise, die ergründen soll, wie weit die Staaten des Westbalkans tatsächlich vom Brüsseler Europa entfernt sind. Welche Hoffnungen weckt die EU in diesem Warte-raum, welchen Druck entfaltet sie? Von „Transitionsstaaten“ spricht man im Brüsseler Jargon, lost in transition fühlen sich manche. Es ist ein Roadtrip auf oft holprigen Straßen, eine Reise durch sechs Länder, die selbst auf einer Reise sind.   

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