Als gäb's kein Morgen

Die zwei Welten der EM: Während Trainern Mikros an langen Stangen vor den Mund gehalten werden, purzeln Zehntausende Fans übereinander. Die Uefa und ihre Spielchen in pandemischen Zeiten.

Von Holger Gertz

1. Juli 2021 - 14 Min. Lesezeit

Beim Bahnfahren erfährt man am allermeisten über die Lage, deswegen am Anfang dieser Reisegeschichte gleich mal ein schöner und sogar vielsagender Mitschnitt einer Zugdurchsage im ICE 926, auf der Strecke von Dortmund nach Hamburg-Altona, Reisetag Montag dieser Woche: „Meine Damen und Herren, an Bord aller Züge der Deutschen Bahn besteht die Verpflichtung zur Bedeckung von Mund und Nase mit einer medizinischen Maske. Und ja, meine Damen und Herren, es kam schon die Nachfrage: Das gilt auch, wenn Sie gerade ein Mettbrötchen mit Zwiebeln gegessen haben.“

Wahrscheinlich kann man den Sound des Augenblicks nicht viel subtiler auf den Punkt bringen. Mettwitze sind allerhöchste deutsche Alltagskomik, und wenn ein Zugchef der Deutschen Bahn sie erzählt, vor aller Ohren, dann heißt das: Jaja, die Pandemie ist schon noch da. Und, jaja, die Pandemie gibt irgendwie vor, dass man sich entsprechend verhalten muss. Aber: Die Pandemie verträgt es auch, dass man sich ihr leichtfüßig nähert inzwischen, so schwer sie auf jedem gelastet hat. Das ist doch die Idee hinter dieser Fußball-Europameisterschaft, mitten in der Pandemie, das muss sie sein: eine Form von Überlebenskunst. Die Pandemie ernst nehmen, aber auch nicht zu ernst, um alles besser ertragen zu können. Aber ob das geht?