Zweitverwertung

Es war einmal eine Maske

Klar, vorbei ist die Pandemie noch lange nicht. Aber die niedrigen Inzidenzen lassen träumen von einer mundschutzfreien Zeit. Nur was passiert dann mit all den Masken? Sieben absolut sinnvolle Vorschläge.

Von Julius Bretzel, Sophie Kobel, Kerstin Lottritz, Veronika Wulf und Martin Zips

9. Juli 2021 - 6 Min. Lesezeit

Die Inzidenzen, sie fallen und fallen seit Wochen. Corona-Schutzmaßnahmen werden gelockert, ein Gefühl von Freiheit weht im lauen Sommerwind. Geöffnete Geschäfte, Treffen mit Freunden und Urlaube in anderen Ländern sind wieder möglich. Fehlt eigentlich nur noch die Freiheit im Gesicht. In Dänemark gibt es in fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens keine Pflicht mehr, eine Maske zu tragen, in Großbritannien sollen bis zum 19. Juli die Corona-Maßnahmen weitestgehend aufgehoben werden.

Auch in Deutschland tastet man sich langsam an den freizügigeren Umgang mit den Schutzmasken heran – obwohl die Delta-Variante des Virus schon im Hinterhalt lauert. In Ravensburg etwa testen Clubs das Feiern ohne Masken, auf Helgoland darf man sich im Gesicht ziemlich freizügig bewegen und der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, wünscht sich, für vollständig Geimpfte die Maskenpflicht einfach komplett fallen zu lassen.

Was in den meisten Haushalten bis zum nächsten Pandemieeinsatz bleibt, ist eine Kiste gefüllt mit unbenutzten FFP2-Masken. Was tun mit den farblosen Vliesfetzen, für die man noch zum Jahreswechsel bis zu sechs Euro das Stück zahlen musste und die einem jetzt für 80 Cent und weniger hinterhergeworfen werden? Wir hätten da ein paar, natürlich absolut nachhaltige, Vorschläge.

Hängematte für Hamster

Die Idee: Hamster fallen zwar vor allem dann (negativ) auf, wenn sie wach sind, nämlich nachts, und laut durchs Hamsterrad rattern. Aber tatsächlich schlafen sie auch ziemlich viel – und mögen es abwechslungsreich. Warum also nicht eine schöne FFP2-Hängematte für sie basteln? Der Rand ist hoch genug, um nicht herauszufallen, das Material schön weich. Eine einzige Masken-Hängematte eignet sich für zwei junge Zwerghamster, die sich mögen, oder einen mitteldicken Goldhamster. Aber natürlich kann die Maskenmatte auch für Mäuse oder Küken verwendet werden. Nur Meerschweinchen droht der Absturz.

Der Mehrwert: Der Mensch, das wusste schon Ludwig Feuerbach, projiziert seine eigenen Wünsche und Träume auf Gottheiten. Und für viele ist ihr Haustier ja so eine Art Gottersatz. Ein Hamster in der Hängematte wäre natürlich auch ein symbolischer Sieg. Unser Leben zappelt ja schon lange genug im Hamsterrad.

Blumentöpfchen

Die Idee: Gärtnern ist hip. Doch um zu verschleiern, dass es sich dabei eigentlich um ein Hobby handelt, dem schon die Großmutter frönte, nennt der Großstadt-Hipster es urban gardening und bepflanzt nicht alte Blumenkästen, sondern Europaletten, Konservendosen und Gummistiefel. Was dabei oft nicht bedacht wird: die Staunässe. Stehen die Pflanzen im Wasser, schimmeln oder faulen sie schnell. Verwendet man allerdings FFP2-Masken als Hängeblumentopf, so kann die Nässe jederzeit abfließen, und es lässt sich gleich ein zweiter Trend umsetzen: vertical gardening.

Der Mehrwert: Wie eine Uniform war auch die Maske zuletzt ein großer Gleichmacher: Dem menschlichen Drang zur Individualität wurde ja spätestens mit der Einführung der FFP2-Pflicht ein Maulkorb verpasst. Aber schon bald darf hoffentlich wieder jeder Hipster Hipster sein und alles ganz anders machen! Und falls noch Kräuter- oder Blumensetzlinge fehlen: Oma hat bestimmt noch Ableger.

Bikini

Die Idee: Für den Corona-Bikini braucht man nur zwei Masken und vielleicht noch ein paar zusätzliche Gummibänder. Wer eine unbenutzte FFP2-Maske auseinanderzieht, hat die Form – zumindest des halben Oberteils – schon in der Hand. Die lustige spitze Form der Cups erinnert an Dessous aus den Fünfzigerjahren. Und gute Mode spielt ja immer auch mit der Vergangenheit.

Der Mehrwert: Während Josephine Baker bei ihren Tänzen noch auf halbierte Kokosnüsse setzte, und beim deutschen Knallerfilm „Liane, das Mädchen aus dem Urwald“ von 1956 der Hauptdarstellerin noch ihre Langhaarfrisur an den Brustwarzen angeklebt werden musste, um diese zu bedecken, weist der chinesische Masken-Bikini in die neue, ausgelassene postpandemische Zeit.

Steinschleuder

Die Idee: Bereits seit Jahrtausenden erfreuen sich Steinschleudern auf der ganzen Welt allergrößter Beliebtheit als hervorragendes Mittel für Jagd, Selbstverteidigung sowie Ausradierung unliebsamer Zeitgenossen. Und nichts dürfte sich besser für die kinetische Beförderung kleiner Steine oder größerer Metallkugeln eignen als eine nicht mehr benötigte FFP-Maske. Um die Aufprallkraft und ballistische Flugweite des mit der Maske geschleuderten Objekts zu erhöhen, empfiehlt sich freilich ihre Anbringung an der Astgabel. Die so entstandene Zwille ermöglicht zusammen mit der beim Ziehdehnen ausgeübten Kraft sowie dem Elastizitätsfaktor der Ohrenhalterung eine besonders effiziente Beschleunigung des gewählten Materials.

Der Mehrwert: Ein universelleres Kampfmittel gab es nie. Solange das Band nicht reißt, und man, das versteht sich doch von selbst, die jeweils gültigen Waffengesetze befolgt, kann die als Steinschleuder verwendete FFP2-Maske selbst einer hochtechnisierten Militärdrohne jederzeit zum bitteren Verhängnis werden.

Schlafbrille

Die Idee: Diese angenehme Form der Zweitverwertung ist nicht so fern vom ursprünglichen Konzept der FFP2-Maske. Die Gummibänder links und rechts von Ohr zu Ohr spannen, die Maske einfach über die Augen statt über Mund und Nase ziehen. Das weiße Vlies verdunkelt sanft, und durch die Hohlform drückt nichts auf die Augenlider – Schlafkomfort pur!

Der Mehrwert: Zugegeben, da kann einen schon mal ein schlechtes Gewissen plagen, wenn man die Maske so trägt wie jene Schlamper, über die man sich in öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Einkaufen geärgert hat: überall im Gesicht nämlich, nur nicht über Mund und Nase. Andererseits: So ist die Maskenschlafbrille dann eben zweierlei: Traum- und Traumatherapie.

Lichterkette

Die Idee: Ein lauer Sommerabend, auf dem Grill brutzelt das Tofu-Schnitzel, und auch die untergehende Sonne hinterlässt nachhaltig Eindruck. Wie stimmungsvoll wäre jetzt eine Lichterkette! Wer jetzt noch einen Vorrat an Masken hat, kann sich einfach selbst eine bauen: Die Gummibänder von mindestens zehn Exemplaren aneinandergeknüpft ergeben eine klassische Girlande, in die man ein LED-Leuchtmittel setzen kann. Und die CO2-Bilanz? Absolut auf Tofu-Niveau.

Der Mehrwert: Bei dieser Gelegenheit könnte man natürlich auch die Verwendung der Maske als asiatische Himmelslaterne empfehlen. Aber die haben wirklich schon allerlei in Brand gesetzt. Besser also – auch beim Schmuck des Weihnachtsbaumes mit FFP-2-Masken – auf Kerzen verzichten und lieber lustige LED-Lampen mit changierenden Farbeffekten in die Ohrgummis einflechten.

Fahrradklammer

Die Idee: Samstagabend, Biergartenwetter. Die neue Schlaghose sitzt, in sommerlichem Beige versteht sich. Aber darauf wartet sie schon, ölig schwarz glänzend, bereit, dem perfekten Sommertag einen ordentlichen Dämpfer zu verpassen: die Fahrradkette. Wer denkt denn auch in Zeiten von Corona und den damit einhergehenden geliebten Leggins daran, sich so ein selbst einrollendes Band (am besten noch mit Reflektoren) zu kaufen? Lösung: Die beiden Gummi-Laschen einer FFP2-Maske auf der Knöchel-Außenseite verknoten, der Stoff der Maske schafft genügend Abstand zur Beininnenseite. Den Nasendraht ein wenig zurechtbiegen und los geht’s.

Der Mehrwert: Um das zuletzt etwas angespannte Verhältnis zwischen Radfahrern und Zuschauern, zum Beispiel während der Tour de France, zu verbessern, empfiehlt es sich für Sportler, ihre an den Unterschenkeln angebrachten FFP-2-Fahrradklammern mit Bonbons zu füllen. Werden diese, etwa während der Abfahrt von der Alpe d’Huez in ekstatische Zuschauermengen geworfen, dürfte auch hier wieder bald ein Gemeinschaftsgefühl entstehen, wie man es sonst nur von Kölner Rosenmontagszügen kennt.

Team

Text Julius Bretzel, Sophie Kobel, Kerstin Lottritz, Veronika Wulf, Martin Zips
Collagen Jessy Asmus
Digitales Storytelling Veronika Wulf