Feuer in Australien

Verbranntes Land

Schon jetzt ist es die schlimmste Buschbrand-Saison, die Australien seit Beginn der Aufzeichnungen erlebt - obwohl sie noch im vollen Gange ist. Eine Chronologie der bisherigen Ereignisse.


Von Jakob Berr, Christian Endt, Elisabeth Gamperl, Verena Gehrig, Julian Hosse, Max Sprick und Benedict Witzenberger

Die bisherige Bilanz ist verheerend: Mindestens 28 Menschen kamen  ums Leben, mehr als eine Milliarde Tiere sind gestorben, Tausende Häuser abgebrannt.

Etliche Gegenden gleichen apokalyptischen Landschaften. Einzelne Städte und Regionen sind teilweise eingeschlossen vom Feuer, das seit Oktober eine Fläche von fast elf Millionen Hektar niedergebrannt hat. 

Zum Vergleich: Berlin ist nur 89 000 Hektar groß.

Berlin und Brandenburg kommen zusammen auf eine Fläche von drei Millionen Hektar.

Zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern sind die Länder nur halb so groß wie die verbrannten Wälder in Australien.

Insgesamt ist dem Feuer ein Gebiet von der Größe aller ostdeutschen Bundesländer zum Opfer gefallen.

"Es gibt nirgendwo auf der Welt einen besseren Ort, um Kinder großzuziehen", sagt Australiens Premierminister Scott Morrison in seiner Neujahrsansprache. "Und wir alle sind so dankbar, dass wir in diesem beeindruckenden Land leben können." Das müsse man wertschätzen, nun, da man ins neue Jahr eintrete. 2020 beginnt in Australien mit einer gigantischen Feuersbrunst.

Die Kinder auf diesem Bild verbringen den Jahreswechsel in Zelten und Wohnwagen, nachdem ihre Eltern ihre Häuser verlassen mussten.

In Australien sind viele Menschen an die jährliche Feuer-Saison gewöhnt, auch die Ökosysteme haben sich daran angepasst - nun aber brennen auch Wälder, die eigentlich gar nicht brennen dürften. Die Regenwälder im Norden von New South Wales zum Beispiel und in Queensland, oder der Hochland-Regenwald im Naturschutzgebiet Mount Hyland oder die "kalten" Regenwälder in Tasmanien.

Dienstag, der 17. Dezember 2019, war mit einer durchschnittlichen Landestemperatur von 40,9 Grad der heißeste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Ortsweise wurden bis zu 49,9 Grad gemessen. Bereits im November war das Jahr 2019 als das zweitheißeste in die Geschichte Australiens eingegangen, auf riesigen Landstrichen hat es seitdem nicht geregnet.

Katastrophale Voraussetzungen also. Die ausgedörrte Vegetation droht beim kleinsten Funken in Flammen aufzugehen, die sich rasend über Buschland, Farmen, Eukalyptuswälder und Wohngebiete ausbreiten.

Am schlimmsten betroffen ist der Bundesstaat New South Wales:

infografik new south vales feuer australien

Mehre Zehntausende Polizisten, Rettungskräfte, Sanitäter und Feuerwehrleute sind im Dienst. Es handele sich um den "wahrscheinlich größten Einsatz von Rettungskräften" in dem Bundesstaat, sagt der für Notfälle zuständige Minister David Elliot. Urlauber in Sydney wurden aufgerufen, die Stadt nicht zu verlassen.

Die Brände werden großteils von Freiwilligen bekämpft. Viele von ihnen sind arbeitslos.

Ihre Sozialleistungen werden zum Teil ausgesetzt, weil sie zwar Menschen, Lebensräume und Häuser retten - sich währenddessen aber nicht für die von der Regierung geforderte Anzahl von Jobs pro Woche bewerben können. Später wird die Regierung umdenken und ihnen für ihren Einsatz eine Entschädigung von umgerechnet 3700 Euro versprechen.

Fünf Tage vor Weihnachten sterben zwei der vielen freiwilligen Feuerwehrmänner: Andrew O’Dwyer, 36, und Geoffrey Keaton, 32. Ein brennender Baum fällt südwestlich von Sydney auf ihren Wagen, der gerät ins Rollen und stürzt einen Abhang hinunter. O'Dwyers 19 Monate alte Tochter Charlotte greift sich bei der Trauerfeier den Helm ihres Vaters.

Die Bilder, wie das Mädchen sich vom Sarg verabschiedet, gehen um die Welt.

Feuerwehrchef Fitzsimmons zeigt, was Australiens Premierminister fehlt: Kompetenz und Empathie. Seine Geste, bei der Beerdigung von Keaton vor dessen kleinem Sohn niederzuknien und ihm eine posthume Tapferkeitsmedaille ans Revers zu heften, rührt die Australier zu Tränen. 

Insgesamt sind bis Mitte Januar mindestens 28 Menschen bei den Buschbränden ums Leben gekommen.

Sein Land brennt wie nie zuvor und Australiens Premierminister Scott Morrison ist mehrere Tage lang unauffindbar. Sein Büro weigert sich, seinen Aufenthaltsort preiszugeben. Als die öffentliche Kritik immer größer wird, meldet sich der 51-Jährige. Er ist mit Ehefrau und Töchtern in Urlaub nach Hawaii geflogen und lässt es sich am anderen Ende der Welt gutgehen, während seine Landsleute gegen die Katastrophe kämpfen. Schließlich kehrt Morrison vorzeitig aus seinem Urlaub zurück, das PR-Desaster aber kann er nicht mehr verhindern. In Canberra wirft eine Frau Reste ihres abgebrannten Hauses vor dem Parlament auf den Gehsteig, und zeigt ein selbstgemaltes Schild: "Morrison, deine Klimakrise zerstörte mein Zuhause."

Morrison leugnet da noch den Klimawandel. Falls es ihn doch gebe, sei er nicht menschengemacht. Die verheerenden Feuer sind für den Premier: ganz normal. Australiens CO₂-Emissionsziele seien mehr als ausreichend. Doch Australien ist nicht nur für die Emissionen im eigenen Land verantwortlich – als weltgrößter Kohle-Exporteur trägt das Land auch zum Ausstoß von Treibhausgasen in anderen Ländern bei.infografik kohleexport feuer australien

Priorität hat für Morrison und seine Partei aber der Erhalt von Arbeitsplätzen. Gerade in der Kohleindustrie. Morrison weist jeden Ruf nach (seiner Meinung nach) "rücksichtslosen" und "Arbeitsplatz vernichtenden" Einschnitten in der Kohleproduktion zurück.

Derweil steht Nancy Allen vor ihrem Haus in Nowra, New South Wales, während Feuer und Rauch den Himmel in ein apokalyptisches Szenario verwandeln. Sie und ihr Mann wollten so lange bleiben wie möglich.

Am 10. Januar rufen die australischen Behörden zur Evakuierung auf. Wer kann, soll sein Haus verlassen. Mehr als zehn Millionen Hektar Land sind zu diesem Zeitpunkt verbrannt. Die Feuerwehr kann nur noch versuchen, die Brände einzudämmen. Sie schlagen mit Bulldozern Schneisen und fackeln mit Gegenfeuern das trockene Unterholz vor bewohnten Gebieten ab. Die App "Fire near me" der Regierung zeigt Nutzern Brandherde und Fluchtrouten an. Manchmal aber signalisiert sie: "Zu spät für Flucht, sicheren Unterschlupf aufsuchen."

Mit Hubschraubern und Kriegsschiffen bringt das Militär vom Feuer eingekesselte Menschen in Sicherheit. 

Viele Menschen wollen weg, können aber nicht. Die Tankstellen haben nur noch wenig Benzin, doch auch wenn sie mehr hätten, könnte es kaum jemand bezahlen. Etliche Handymasten sind abgebrannt, ohne Netz funktionieren weder Kreditkartenleser noch Geldautomaten.

Sheryl Turner aus dem Ferienort Sussex Inlet hat eine beschwerliche Flucht hinter sich, sie hatte kein Benzin mehr. In einem Auffanglager kann sie ihre Tränen nicht zurückhalten.

Mindestens 11,8 Millionen Hektar sind jüngsten Angaben zufolge im Südosten Australiens von den Feuern erfasst worden. Das entspricht etwa einem Drittel der Fläche von Deutschland und übertrifft die Zerstörungen im Amazonas oder in Kalifornien um ein Vielfaches.

Die US-Raumfahrtagentur Nasa erklärte vergangene Woche, der Rauch aus Australien werde mindestens einmal ganz um die Erde ziehen und dann wieder den Westen des Landes erreichen. In Melbourne, der zweitgrößten Stadt, herrscht Mitte Januar die "weltweit schlechteste Luft", sagt der zuständige Gesundheitsbehörden-Chef Brett Sutton.

In Cobargo, weiter nordöstlich, werfen Nathan (links) und John Aish ein paar Körbe auf den Basketballkorb, der in den Trümmern ihres Hauses überlebt hat.

John Aish hatte Wasser aus seinem Pool auf sein Grundstück gepumpt, um es vor dem Feuer zu schützen.

Genutzt hat es wenig. Das Haus fiel den Flammen zum Opfer. John Aish ist nun in einem Camp untergebracht.

Nicht nur Menschen fliehen. Auch das australische Ökosystem leidet. Naturschützer beklagen katastrophale Auswirkungen der Buschfeuer auf Kängurus, Koalas und andere Arten.

Immer wieder hört man von Freiwilligen, die hilflose Tiere aus den Flammen befreien oder die Tiere mit Wasser versorgen.

Auch das Militär kümmert sich um verletzte Tiere. Tierarzt Captain Garnett Hall (l.), die Betreiberin des Kangaroo Island Wildlife Park  Dana Mitchell und Private Alexie Tarasov vom 10./27. Battalion des Royal South Australia Regiments bandagieren hier die Brandwunden eines Koalas auf Kangaroo Island.

Auf der Insel vor der Südküste haben die Flammen einen Nationalpark erfasst. Zwei Menschen sterben, dazu geschätzte 25 000 Koalas. "Das war nicht nur ein Feuer, das war eine unaufhaltsame Naturgewalt", sagt Joe Tippett, der im Besucherzentrum des Parks ein Kaffee betreibt. "Aber wir Aussies lassen uns nicht unterkriegen. Wir bauen alles wieder auf, und die Vegetation erholt sich."

Hunderte Millionen Tiere sind nach vorsichtigen Schätzungen von Wissenschaftlern allein im Bundesstaat New South Wales getötet worden. Insgesamt kamen bislang mindestens eine Milliarde Säugetiere, Reptilien und Vögel bei den Bränden ums Leben.

Die Wettervorhersage stellt den Brandgebieten für Mitte Januar Regen in Aussicht. Doch der könnte auch Probleme bringen: Heftiger Regen und Gewitter könnten Sturzfluten auslösen. Das gilt der Meteorologin Sarah Scully zufolge besonders für die niedergebrannten Gebiete in New South Wales und Victoria.  

Nun, nach Monaten der Feuersbrunst, setzt bei Premier Morrison ein Umdenken ein. Im Interview mit dem Fernsehsender ABC über die "Bushfire-Crisis" sagt der Klimawandel-Leugner auf einmal, es gebe "keinen Streit" darüber, dass der Klimawandel "längere, heißere, trockenere Sommer" verursache. Es brauche eine "historische Wende" im Umgang mit den Feuern, man müsse sich "auf eine neue Normalität vorbereiten". Seine Regierung werde daher eine "Royal Commission" einsetzen, einen Ausschuss, der Vorschläge machen soll, wie man der Klimakrise künftig begegne.

Zwischen den Zeilen machte Morrison allerdings klar, dass er seine Klima- und Wirtschaftspolitik nicht wirklich ändern will. Seine "historische Wende" bezog sich lediglich auf die Art, wie Behörden, Feuerwehr und Militär künftig mit Naturkatastrophen umgehen sollen. Das schadet seiner Beliebtheit. Eine Umfrage in der ihm eigentlich gewogenen Tageszeitung The Australian hat gezeigt, dass die Mehrheit der Australier ihn derzeit nicht mehr wählen würde.

Gefeiert werden stattdessen die vielen freiwilligen Feuerwehrleute. Die Oper in Sydney projizierte mehrere Stunden lang eine bunte Fotoshow auf die Außenflächen des Konzerthauses. „Heute Abend erleuchten wir die Segel des Opernhauses von Sydney, um unsere Unterstützung für alle zu zeigen, die von den australischen Buschbränden betroffen sind“, stand im Twitter-Feed des Opernhauses. „Wir wollen eine Botschaft der Hoffnung und Stärke senden, und besonders den Rettungskräften und Freiwilligen für ihren unglaublichen Einsatz und ihren Mut danken.“ Hoffnung und Stärke müssen die Einsatzkräfte und alle Australier weiter beweisen.