Jon Snow

Vom schwarzen Schaf zum weißen Wolf

Prägende Herkunft: Jon Snow wächst als Bastard auf und wird zum König des Nordens. Sein Glaube an die Moral ist eisern – und kostete ihn schon einmal das Leben.

6 Minuten Lesezeit

Von Xaver Bitz

„Wenn wir uns das nächste Mal sehen, werden wir über deine Mutter reden. Ich verspreche es.“ Eddard Stark zu Jon Snow

In der Nachbetrachtung ist die Frage, was Eddard „Ned“ Stark, Wächter des Nordens, Jon Snow genau erzählt hätte, durchaus interessant. Schließlich ließ Ned seinen Sohn und auch alle anderen bis zu diesem Punkt im Unklaren darüber, wie seine genaue familiäre Situation denn nun aussieht. Die letzten Worte des Stark-Oberhauptes an seinen vermeintlichen Sohn klingen aber nach dem uneingelösten Versprechen, das sich durch dessen vorheriges ganzes Leben zieht.

Bis zu diesem Zeitpunkt lebt Snow siebzehn Jahre lang als vor allem von Catelyn Stark ungeliebtes Anhängsel auf Burg Winterfell. Er hat eine ähnliche Erziehung wie die ehelichen Kinder, muss aber auch auf Annehmlichkeiten verzichten. So sitzt er beim Besuch der Königsfamilie eben nicht mit am Tisch der Adeligen, sondern beim gemeinen Volk. 

Nicht nur aufgrund seiner Stellung als uneheliches Kind des Stark-Familienoberhauptes entscheidet sich Snow (so werden die Bastarde des Nordens genannt) dafür, sich der Nachtwache anzuschließen. An der Mauer sind alle gleich, außerdem dient dort sein Onkel Benjen, für den Jons Abstammung nie ein Thema war.

Jon hofft also darauf, einer unter Gleichen zu sein, doch schnell wird ihm klargemacht, dass er sich trotz seines Vorsprungs auf die übrigen Neulinge in Sachen Kampfkunst von ganz unten nach oben arbeiten muss (womit er vermutlich weniger ein Problem hat) und zudem noch drangsaliert wird (womit er ein großes Problem hat). Doch der Stark-Sohn nimmt den Kampf an, auch wenn er oft mit sich selbst kämpfen muss. Dabei hilfreich ist ihm auch eine Lektion, die ihm Tyrion Lannister noch in Winterfell beibringt. Dass er ein Bastard ist, kann er nicht verleugnen und alle um ihn herum wissen es auch. Deswegen soll er dies als Rüstung tragen, auf diese Weise könne ihm niemand jemals weh tun.

Schmerzhafte Lektionen

In seiner neuen Familie geht es für Jon Snow darum, sich zu beweisen. Früh wird auch der Lordkommandant der Nachtwache, Jeor Mormont, auf ihn aufmerksam und nimmt ihn unter seine Fittiche. Die für ihn zunächst demütigende Arbeit als persönlicher Page wird so zum dauerhaften Unterricht in Führung, in Diplomatie und in Demut und Loyalität zu einer gemeinsamen Sache. Dabei lernt er nicht nur von Mormont, auch der Nachtwachen-Jäger Halfhand und der Anführer der Wildlinge Mance Rayder bringen ihm Lektionen fürs Leben bei. Und auch das Lieben lernen gehört zu Jons Erwachsen werden. Wobei er bei beidem gewisse Schwierigkeiten zeigen wird, das gelernte anzuwenden.

Nach der Schlacht um die Schwarze Festung, bei der die attackierenden Wildlinge durchaus Siegchancen gehabt hätten, wäre Jon nicht sein Eid wichtiger als seine Gefühle, greift auch bei der Nachtwache das Leistungsprinzip. Wobei die Wahl Jons zum Lordkommandanten knapper ausfällt als man erwarten könnte. Und er das eigentlich auch gar nicht unbedingt wollte.

Jon Snow mit Nachtwachen-Mitglied Janos Slynt während der Schlacht um die Schwarze Festung
Jon Snow mit Nachtwachen-Mitglied Janos Slynt während der Schlacht um die Schwarze Festung

Doch als er dann an der Spitze der Nachtwache steht, legt er sich mit den Konservativen an. Man kann ihm sicherlich nicht vorwerfen, keine rationalen Schlüsse aus dem jenseits der Mauer Erlebten zu ziehen. Und dass er sich in seinem Streben, die Wildlinge aus Hartheim in Sicherheit zu bringen, durchsetzt, spricht ebenfalls für ihn als Führungspersönlichkeit. Das Problem ist eher, wie er es den Traditionalisten kommuniziert. Die erteilen ihm die nächste lehrreiche Lektion. For the Watch.

Endlich Teil der Familie?

Ist es Jons Glück oder Pech, dass Melisandre just in dem Moment zurückkehrt, als seine Leiche in der schwarzen Festung liegt? Ihr Timing ist auf jeden Fall ähnlich gut wie das von Sansa, die ihn erst trifft, als er wieder ins Leben zurückgeholt wurde und mit der Hinrichtung der führenden Verräter seine letzte Aufgabe als Lordkommandant erledigt. Beide ahnen, dass der / die jeweils andere eine lange und entbehrungsreiche Reise hinter sich haben. Besonders Jon schaltet direkt in den Familienmodus.

Und er lernt, dass Sansa in den letzten Jahren nicht nur körperlich gewachsen ist, sondern auch von einer schönlingverehrenden Teenagerin zu einer Dame, einer Lady, herangewachsen ist. Er bemüht sich, mit ihr zusammenzuarbeiten, um mit den Häusern des Nordens und den Wildlingen die Eindringlinge aus der Familienburg zu vertreiben. Und muss dabei lernen, dass - obwohl Sansa ihn als Stark anerkennt (ein untrügliches Zeichen dafür: der Wolfsumhang) - die Adeligen des Nordens ein störrisches Volk sind.

Nach der Schlacht der Bastarde, die Jon vor allem wegen seiner Schwester Sansa (und ihrem Vitamin B zu Petyr Baelish und den Rittern des Tals) gewinnt haben die Starks ihr zuhause wieder. Und er hat nun nicht nur die Anerkennung Sansas als vollwertiges Familienmitglied, sondern auch die des Nordens. Die bekommt er auch vor allem dank Lyanna Mormont, die den ungleich älteren Lords klarmacht, dass nun eine neue Zeit angebrochen ist. Und sie liegt ja auch nicht vollkommen falsch mit ihrer Aussage, dass Stark-Blut durch Jons Adern fließt.

Denn Ned Stark hatte mit seinen Worten „Du hast vielleicht nicht meinen Namen, aber du hast mein Blut" recht, nur auf andere Weise, als Jon und die Zuschauer bis hierhin dachten. Hilfreich hier ist einmal mehr der allsehende Bran, der in Gedanken durch die Vergangenheit reist: Eddard Stark ist nicht der Vater von Snow, sondern der Onkel. Jons Mutter ist Lyanna Stark. Als Rhaegar Targaryen sie raubte, endete dies mit dem Sturz seiner Familie vom Eisernen Thron. Nur weiß Jon - wie so oft - davon nichts.

In die letzte Staffel startet Jon also als durch seine Schwester Sansa und die Norderner anerkannter Stark. Und in der Nachfolge seines Cousins Robb, der als „junger Wolf“ zum König im Norden ausgerufen wurde, als „weißer Wolf“. Wer geglaubt hat, dass Jon aus seinen Fehlern oder denen seiner Vorgänger Robb, Ned, Onkel Brandon oder Großvater Rickard lernen würde, der sieht sich zeitnah eines Besseren belehrt.

Halb Wolf, halb Drache

Jons wahre Herkunft - und damit seinen Anspruch auf den Thron - deckt allerdings nicht sein quasi allsehender Bruder Bran auf, sondern sein fleißiger bester Freund Samwell Tarly. Der findet nämlich ungewollt heraus, dass Lyanna und Rhaegar verheiratet waren. Und dass Jons wahrer Name Aegon Targaryen ist.

Dass seine erste große Liebe Ygritte mit ihrem fast schon ikonischen „You know nothing, Jon Snow“ auf derart vielen Ebenen Recht hatte, hätte sie vermutlich auch nicht gedacht. Vermutlich hätte sie es aber auch nicht interessiert. Im Gegensatz zu Jons/Aegons zweiter großer Liebe. Denn vor der steht er in der Thronfolge. Ob Daenerys das so einfach akzeptieren wird, ist zweifelhaft. Noch zweifelhafter ist aber, ob der weiße Wolf sein Erbe überhaupt antreten will.

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