Schmerz und Bühne

Schwebe wie ein Schmetterling, fliege wie ein Vogel, stehe wie ein Baum, so hat sie das gelernt. Aber wie soll sie fliegen in dieser verdammten Pandemie? Maria Valter und der Traum, Primaballerina zu werden.

Text: Elisa Schwarz, Fotos: Alessandra Schellnegger

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Als der Vorhang aufging für Maria Valter, das allererste Mal, schwerer Samt, Stille im Orchestergraben, Stille im Publikum, da spürte sie das Scheinwerferlicht und dachte, das muss die Sonne sein. Sie stand da in einem weißen Kostüm und mit einer Schleife im Haar, die ihre Mutter gebunden hatte, ihre Mutter, die zu jeder Vorstellung kam und vom Balkon runterlächelte, erster Rang. Maria Valter war damals zehn Jahre alt, und während sie auf der Bühne stand, mitten in der Sonne, unter dem Blick der Mutter, da vergaß sie für einen Moment, dass hinter der Kulisse ihre Lehrerin wartete, die ihr die Beine aufgekratzt hatte, bis sie bluteten.