Ran an die Sau

In Thüringen liegt Deutschlands einziges Schlachthotel. Die Gäste zahlen hier, um das Messer zu schwingen. Über die Schizophrenie des Fleischkults.

8 Minuten Lesezeit

Text: Marten Rolff, Fotos: Thomas Victor

Der Tag im „Hotel zum Eichsfelder Fleischer“ beginnt mit dem Tod, pünktlich morgens um acht. Das ist keine Überraschung, so war es angekündigt, als erster Programmpunkt, schließlich reisen die Gäste hier an, um dabei zu sein, wenn ein Schwein geschlachtet wird. Und doch wird der Tod sie überrumpeln.

Der erste Schreck ist beiderseitig. Bei der Sau, weil sie auf zehn fremde Menschen in einem weiß gekachelten Raum trifft. Bei den Gästen, weil das Tier ihnen mit seinen 290 Kilo bis zur Hüfte reicht und es so plötzlich durch die Metalltür läuft, dass sie ausweichen müssen. Dann geht alles schnell. Marco Fritsch packt mit der Elektrozange zu, das Schwein sackt binnen kaum einer Sekunde betäubt zusammen, fällt einfach um, sein Stöhnen ist erstaunlich tief. Die Reflexe lassen die Hachsen kurz in der Luft zappeln, wie bei einem Hund, der vom Laufen träumt. Dann setzt Fritsch den Kehlenschnitt, um die Sau ausbluten zu lassen. 

Etwa 100 Euro kostet es, an einer Liveschlachtung bei Marco Fritsch teilzunehmen. Inklusive Übernachtung im Doppelzimmer, Schlachteplatte zum Frühstück, Pils und Enzian satt, dazu eine Tüte Wurstspezialitäten: gereifte Eichsfelder Stracke, Ringmettwurst, Leberwurst, Sülze im Glas.

Der Eichsfelder Fleischer im thüringischen Heyerode ist Deutschlands einziges Schlachthotel, mit der Idee gewann die Familie Fritsch den Thüringer „Gründerpreis Marktlücke“.

Viele Gäste nehmen Hunderte Kilometer Anfahrt in Kauf, die Schlachtwochenenden sind bis Ende 2020 ausgebucht. „Wenn Sie einen runden Geburtstag bei uns planen, wird das nächstes Jahr auch nichts mehr, sogar für 2025 stehen schon Familienfeiern im Kalender“, sagt Fritsch auf die Frage, wie das Geschäft läuft.

An diesem kalten Samstagmorgen kommen fast alle Gäste aus Heyerode, sieben Freunde, alle etwa Mitte 40 wie Fritsch.

Viele Gäste nehmen Hunderte Kilometer Anfahrt in Kauf, die Schlachtwochenenden sind bis Ende 2020 ausgebucht. „Wenn Sie einen runden Geburtstag bei uns planen, wird das nächstes Jahr auch nichts mehr, sogar für 2025 stehen schon Familienfeiern im Kalender“, sagt Fritsch auf die Frage, wie das Geschäft läuft.

An diesem kalten Samstagmorgen kommen fast alle Gäste aus Heyerode, sieben Freunde, alle etwa Mitte 40 wie Fritsch.

Einmal im Jahr schlachten sie hier gemeinsam ein Schwein und teilen das Fleisch auf, es reicht für Monate. 

Einmal im Jahr schlachten sie hier gemeinsam ein Schwein und teilen das Fleisch auf, es reicht für Monate. 

Es ist ein Ereignis, wie es ihre Eltern schon kannten, als viele Familien noch zu Hause schlachteten. Auf den ersten Blick wirkt dieser Samstag nicht repräsentativ für eine Veranstaltung beim Eichsfelder Fleischer. Andererseits ist man damit schon mitten in der Geschichte.

Der Umgang mit Fleisch, da sind sie sich hier einig, ist mit den Jahren immer widersprüchlicher geworden. Und selten verdichtet sich diese Entwicklung so wie in der Geschichte der Fleischerfamilie Fritsch, hier in der Fachwerkidylle von Heyerode, in Deutschlands geografischer Mitte, im Wurstland Thüringen. Das Eichsfeld ist eine der wenigen Regionen, in denen Fleisch – entgegen üblichen Hygieneauflagen – schlachtwarm verwurstet und verkauft werden darf, mit Sondergenehmigung der EU, aus Rücksicht auf die Tradition.

Marco Fritsch ist mit seinen raumgreifenden 1,90 Meter eigentlich kein Mann, der viel erklären mag. Doch den Termin mit den Bekannten aus Heyerode hat er für den Reporterbesuch bewusst gewählt. Er findet, dass man nicht allen zahlenden Gästen Journalisten zumuten müsse. Fritsch führt gern durchs Haus, zeigt das Schlachtmuseum mit den verrosteten Bolzenschussgeräten im Keller und die neue Kegelbahn nebenan.

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