Im Armenhaus

Immer mehr Menschen müssen in Deutschland ins Gefängnis, weil sie ihre Geldstrafen nicht zahlen können. Über die Frage, wie viel die Freiheit kostet.

Text: Ronen Steinke, Fotos: Regina Schmeken

24. September 2021 - 24 Min. Lesezeit

In Berlin steht ein Gefängnis aus verwittertem Backstein. 100 Meter lang, 80 Meter breit, drei Etagen hoch. 80 Zentimeter dicke Mauern. Die Menschen, die dahinter sitzen, im Haus A der Justizvollzugsanstalt Plötzensee, haben eines gemeinsam. Kein Richter, keine Richterin hat je zu ihnen gesagt: Sie gehören ins Gefängnis. Und trotzdem sind sie hier.

Am Tag wie in der Nacht liefert die Polizei an einem blau gestrichenen Metalltor Menschen an, die eigentlich nicht hier sein sollten. Sie werden in Empfang genommen von zwei Beamten in Polohemden, auf deren Rücken „Justiz“ steht. Alte Schlüssel, lang wie Kugelschreiber, drehen sich im Schloss herum, dann ist das Tor zu.

Die Gerichte, die sich die Fälle angesehen haben, haben ausdrücklich gesagt, dass diese Menschen wegen der geringen Schwere ihrer Delikte und ihrer Schuld keine Gefängnisstrafe verdienen. Sondern eine Geldstrafe. Einige von ihnen haben ein paar kleine Dinge im Supermarkt gestohlen, und etwa jeder Fünfte, der im Haus A sitzt, ist beim Schwarzfahren erwischt worden.