Buch Zwei

Die Spaß­macher

Milliardengeschäft mit Hurra: Freizeitparks sind in Deutschland so erfolgreich wie noch nie. Was macht den Menschen bloß so viel Vergnügen – und was macht das Vergnügen mit so vielen Menschen?

3 Minuten Lesezeit

Text von Martin Wittmann, Fotos von Stefanie Preuin

Es war ein sonniger Tag im Sommer 1949, als sich der Junge in seine Zukunft aufmachte. Sein Vater war im Krieg geblieben, mit seiner Mutter und seiner Schwester wohnte er in einem Haus in Bochum, von dort brauchte er zu Fuß eineinhalb Stunden bis zur Cranger Kirmes. Der Bus hätte 30 Pfennige gekostet, aber die hat er sich sparen wollen für das Karussell. Von einer Fahrt nebenan in der Achterbahn hat er nicht zu träumen gewagt. Dort schaute er nur zu, und es entging ihm auch nicht, dass die Männer den kreischenden Frauen den Arm um die Schultern legten, obwohl sie selbst die Hosen gestrichen voll hatten.

Ein Mann mit Holzbein stand auch da. Kriegsversehrte durften einen zweiten Fahrgast umsonst mitnehmen. Komm mit, Junge! sagte er. Der Junge kam mit. Als er später zu Hause im Bett lag, konnte er vor lauter Aufregung nicht einschlafen.

Es ist ein Märchen aus Dampflokzeiten, man hört es in Schwarz-Weiß. Es geht damit weiter, dass aus dem schlaflosen und hungrigen Jungen ein rastloser und erfolgreicher Ingenieur wurde. Werner Stengel heißt der Mann, er sollte es zum angesehensten Achterbahnkonstrukteur der Welt bringen.

Werner Stengel
Werner Stengel

Mehr als 750 Fahrgeschäfte haben seine Mitarbeiter und er entworfen. Der Mann, 81 Jahre alt, weiße Haare, buschige Augenbrauen, ist hörbar stolz auf die viele Arbeit und, trotz oder wegen ihr, sichtlich vital. Wie er in seinem Büro in München sitzt und erzählt, kann man sich nur wundern beim Zuhören. Nicht so sehr über das Früher. Sondern über das Heute.

Rutsch in die Gegenwart: Kinder haben mehr als genug zu essen, sie müssen auch nicht mehr eineinhalb Stunden zu Fuß gehen, es sei denn, die Eltern zerren sie zum Wandern. Den Krieg kennen sie nur aus Computerspielen. Smartphones gehören ganz selbstverständlich zum Leben, es gibt keine Holzbeine mehr, dafür Handy-Nacken. Unterhaltung muss man nicht mehr suchen, die Unterhaltung findet uns. Und doch sind Freizeitparks mit ihren Achterbahnen und Karussells dieser Tage so beliebt wie nie. Mehr als 100 Parks gibt es in Deutschland, 38,8 Millionen Besucher zählte die Branche 2017, die halbe Nation, mehr als eineinhalb Milliarden Euro Umsatz, schwindelerregend bis in die Zahlen.

Wie kann eine analoge Attraktion in digitalen Zeiten bloß so erfolgreich sein? Was macht uns Vergnügen, und was macht das Vergnügen mit uns?

Die Reise durch ein freizeitwütiges Land beginnt an seinem Ende. An der Grenze zu Frankreich, in Rust, hat die Familie Mack 1975 den Europapark eröffnet. Deutschlands größter Freizeitpark wird regelmäßig von der Fachpresse als der beste der Welt ausgezeichnet, das Unternehmen gilt als Beweis für baden-württembergisches Mittelstandstalent. Der 95 Hektar große Park hatte vergangenes Jahr 5,6 Millionen Besucher. Die Filmmusik am Eingang erinnert die Gäste an Übervater Disney und bereitet schon mal auf die Kulissenwelt im Inneren vor. Ein hölzernes Schiff schippert da über einen künstlichen See, die Monorail sieht aus, als machten Golf Carts eine Polonaise, ihre Fahrgäste blicken auf Turmverliese und Schießbuden hinab, auf Märchenschlösser, Wackelbrücken, die Raumstation Mir.

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