Bayerischer Wald

Kleine Schönheiten

Bär, Luchs, Wolf – die Stars unter den Tierarten des Nationalparks kennt jeder. Wer hat aber schon mal was vom Peltis grossa gehört? Ein Überblick über die außergewöhnliche Flora und Fauna.

Von Christian Sebald

Die Wald-Soldanelle

Wenn die Frühlingssonne den Schnee schmelzen lässt, kommen im Bayerischen Wald nicht nur altes Laub und gelbbraune Winterwiesen zutage. Licht und die Wärme locken die zarte Wald-Soldanelle (Soldanella montana) mit ihren feingefransten blauvioletten Blütenglöckchen hervor. 

Das seltene Primelgewächs gilt als Charakterpflanze des Bayerischen Waldes, da dort sein Hauptverbreitungsgebiet in Deutschland liegt. Anders als die eng verwandte, viel häufigere Alpen-Soldanelle, die kalkreiche Böden bevorzugt, findet man die Wald-Soldanelle auf moosigen, nährstoff- und kalkarmen Böden. Sie liebt feuchte, nicht zu dichte Fichten- oder Bergmischwälder, Waldwiesen oder die Ufer von Bergbächen in Höhen zwischen 500 und 1500 Metern. 

Die mehrjährigen, zehn bis 20 Zentimeter hohen Pflanzen mit bis zu zehn Blüten je Blütenstiel und rundlichen, dunkelgrünen Blättern bilden meist dichtere Bestände. 

Wo länger Schnee liegt, hilft die Wald-Soldanelle schon mal nach. Sie schmilzt sich mit selbst erzeugter Wärme und in dunkelfarbigen Pflanzenteilen gespeicherter Sonnenenergie durch die Schneedecke. Die Wald-Soldanelle ist keine Rote-Liste-Art, aber wegen ihres begrenzten Vorkommens besonders schützenswert.

Der Flachkäfer Peltis grossa

Der Flachkäfer Peltis grossa ist so selten, dass er nicht einmal einen deutschen Namen hat. Die höchstens zwei Zentimeter kleinen Tiere aus der Familie der Jagdkäfer können nur in Wäldern mit vielen abgestorbenen Baumstämmen mit Pilzen wie dem Rotrandigen Baumschwamm überleben. Deshalb ist er eine sogenannte Urwaldreliktart. 

Im Böhmerwald ist Peltis grossa seit Jahrhunderten beheimatet. Auf bayerischer Seite wurde er allerdings zuletzt im Jahre 1906 nahe Spiegelau dokumentiert. Seither galt er als dort ausgestorben. Bis zu einer Sommernacht 2019. Da entdeckte Vize-Nationalparkchef Jörg Müller auf einem Fichtenstumpf einen Peltis grossa. 

Die Art hat offenbar auf tschechischer Seite überlebt und breitet sich nun wieder im Nationalpark aus – als eine von 16 Urwaldrelikt-Käferarten dort.

Der Bergmolch

Der Bergmolch (Ichtyosaura alpestris) ist ein auffälliger Lurch, das liegt an seiner kräftig orange oder sogar rot gefärbten Bauchseite. Die Flanken der acht bis zwölf Zentimeter großen Tiere sind schwarz-weiß gepunktet und zum Bauch hin von einem blauen Streifen begrenzt. 

Während der Paarungszeit im Frühjahr färbt sich der Rücken der Männchen ebenfalls blau. Nach dem Ende der Laichzeit im Mai verlassen die Tiere das Wasser und entwickeln ihre eher unscheinbare Landtracht mit der oben dunklen, fast schwarzen, wasserabweisende Haut. Der Bauch bleibt orange, ist aber weniger farbintensiv als in der Wassertracht. 

Ichtyosaura alpestris ist eine eher häufige Art, dennoch ist sie streng geschützt. Der Nationalpark mit seinen vielen naturbelassenen Bergbächen ist ein optimaler Lebensraum für die Lurche.

Der Bleiche Schüppling

Sein hellbrauner bis cremig-weißer Hut, der mit etwas dunkleren spitzen oder flockigen Schüppchen besetzt ist, macht den Bleichen Schüppling oder Pholiota squarrosoides zu einem recht fotogenen Pilz. Die Art braucht unbedingt alte, naturnahe Wälder als Lebensraum. Denn der Bleiche Schüppling siedelt nur an abgestorbenen Buchen oder Fichten. 

Im Nationalpark gibt es das einzige stabile Vorkommen dieser sogenannten Zeigerart für naturnahe Wälder in ganz Deutschland. Bleiche Schüpplinge riechen ein wenig nach Obst oder Fruchtbonbons, sind aber ungenießbar. Sie wachsen meist als Büschel. Die Pilze werden zwischen drei und neun Zentimeter hoch, ihr Hut hat einen Durchmesser von fünf bis neun Zentimeter. 

Die Art kann leicht mit anderen Schüppligen verwechselt werden. Allein in Europa gibt es 28 Schüppling-Arten. 

Der Alpen-Mosaikjungfer

Auch im Nationalpark Bayerischer Wald trifft man nur mit viel Glück eine oder gar mehrere Alpen-Mosaikjungfern (Aeshna caerulea) an. Denn sie zählen zu den seltensten Libellenarten überhaupt, in der aktuellen Roten Liste werden sie der Kategorie „vom Aussterben bedroht“ geführt. 

Deutschlandweit kommen die filigranen Insekten, die bis zu neun Zentimeter Flügelspannweite und einen schwarz-blau gemusterten Hinterleib haben, nur in den Alpen und eben im Nationalpark Bayerischer Wald vor. Und zwar ab einer Höhe von etwa tausend Metern. Dort siedeln die Alpen-Mosaikjungfern an den Gewässern der Filze. 

Die Männchen sind morgens oft die ersten Libellen, die dort herumschwirren. Sie unterbrechen ihren schnellen Flug aber oft, um sich in der prallen Sonne auf einem Baumstamm, Stein oder Felsen aufzuwärmen. 

Die Waldbirkenmaus

Sicista betulina, wie die Waldbirkenmaus auf Lateinisch heißt, zählt zu den kleinsten Mausarten überhaupt. Von Kopf bis Fuß misst sie fünf bis maximal sieben Zentimeter, ihr Schwanz ist etwa eineinhalb Mal so lang, bei einem Körpergewicht von gerade mal fünf bis elf Gramm. Ihr Fell ist auf der Körperoberseite gelbgrau mit schwärzlicher Strichelung und einem Aalstrich, auf der Unterseite hellgrau. 

Waldbirkenmäuse sind in Mooren, feuchten Wiesen und Wäldern daheim. Sie bewohnen unterirdische Gänge und sind von Mai bis Oktober aktiv – und zwar vorwiegend in der Dämmerung. Von Oktober bis Mai halten sie Winterschlaf in Erdlöchern, die sie sich wie ihre Wohngänge selbst graben. Sicista betulina ernährt sich von Grassamen, Beeren, Früchten, Insekten und Larven. Am Boden bewegt sie sich hüpfend fort. Außerdem ist sie ein geschickter Kletterer, dabei nimmt sie ihren Schwanz zu Hilfe. 

Waldbirkenmäuse paaren sich im Mai oder Juni. Nach 25 Tagen Tragzeit gebären die Weibchen bis zu sechs blinde Junge, die fünf Wochen gesäugt werden. Im Freistaat kommen Waldbirkenmäuse nur im Bayerischen Wald und den Allgäuer Alpen vor. Seit dem Erstnachweis hierzulande 1950 gab es nur eine Handvoll weiterer Sichtungen. 

Der Große Eisvogel

Der Große Eisvogel (Limenitis populi) kommt in zweierlei Gestalt daher. Die oberen Flächen seiner Flügel sind meist dunkel gemustert, die unteren dagegen hell gefärbt.

Mit bis zu 75 Millimeter Flügelspannweite zählt Limenitis populi zu den größten Tagfaltern hierzulande. Man bekommt ihn aber kaum zu Gesicht. Das hat nicht nur damit zu tun, dass er sehr selten ist. Sondern weil er sich hauptsächlich in Baumkronen aufhält. Man kann Limenitis populi allenfalls beobachten, wenn er an feuchten Waldwegen oder Pfützen saugt, um Mineralien aufzunehmen. 

Seine Flugzeit dauert in der Regel von Juni bis Ende Juli. Manche Falter fliegen schon im Mai. Der Große Eisvogel kommt in lichten Laubwäldern mit Espen oder Schwarz-Pappeln vor. Denn seine Raupen fressen nur Blättern dieser Baumarten. 

Der Zwergschnäpper

Im Urwaldgebiet Mittelsteighütte fühlt sich der Zwergschnäpper (Ficedula parva) besonders wohl. Denn die mächtigen Tannen, Buchen und Fichten und die vielen abgestorbenen Bäume am Boden sind genau der Lebensraum, den er braucht. Ältere Zwergschnäpper-Männchen sind etwas größer als Zaunkönige, ihr Kopf ist mausgrau gefiedert, die Brust rötlich-orangefarben. Laien verwechseln sie deshalb leicht mit Rotkehlchen. 

Da Zwergschnäpper sich meistens in den oberen Stammregionen und Kronen alter Bäume aufhalten, bekommt man sie kaum zu Gesicht. Auffällig ist auch ihr lauter, weit hörbarer Gesang. Die drei, vier Sekunden lange Strophe beginnt meist mit eher leisen Tsitt-Rufen. In Bayern ist Ficedula parva als stark gefährdet eingestuft. Im Nationalpark ist er vergleichsweise häufig anzutreffen. 

Die Kreuzotter

Jedes Kind kennt die Kreuzotter (Vipera berus), schließlich ist das Reptil der Inbegriff der heimischen Giftschlange. Dabei sind Kreuzottern nicht nur extrem scheu und meist längst auf und davon, bevor man ihnen zu nahe kommen könnte. Sondern sie zählen schon seit Langem zu den stark gefährdeten Tierarten. 

Die Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava dürften zu ihren letzten großen Refugien in Mitteleuropa zählen. Am Kolbersbach nahe Lindberg etwa dürfte es noch vergleichsweise viele geben. Wie viele es sind, weiß keiner so genau. Um sich einen Überblick zu verschaffen hat der Nationalpark das Monitoring intensiviert. Dabei ist hilfreich, dass Kreuzottern individuell erkennbar sind – an der Zeichnung der Kopfschuppen.